Freitag, 2. November 2007

Ein Winzer im Reich der Mitte # 1

2005 fuhr ich nach Shanghai. Der Grund war Neugierde und die ideale Gelegenheit, die sich darbot, als J. ihren zu jenem Zeitpunkt dort arbeitenden Bruder M. besuchen wollte und ich der auserwählte Reisepartner war. Das Tagebuch dieser Reise kann man ab jetzt auf diesem Blog nachlesen.


30.7./31.7.2005

Ein gaaaanz langer Tag. Abflug am 31.7. um ca. 14.30 von Wien Schwechat. Zuvor gibts Ärger, da die Flugtickets von einer vorgeblich hilfsbereiten Austrian-Airlines-Blondine vorübergehend entwendet werden. Ein von den Austrian-Airlines gut dressierter, freundlicher Gorilla macht sie aber per Telefon wieder ausfindig (J. fragt sinngemäß, ob die Chinesen den auch essen würden). Da befinden wir uns bereits in die Flughafenwartehalle und J. hat sich derweil durch eine Überdosis Dr. Bach-Notfalltropfen in einen anderen Bewusstseinszustand befördert. Der Flug selbst ist dann eher anstrengend, da ein ausgesprochenes Ölsardinen-Feeling herrscht. Wir sind von einer exzessiv Computer spielenden chinesischen Pensionistin und insbesondere zwei unglaublich entzückenden chinesischen Kleinkindern umgeben, die meine Rückenlehne zeitweise als Trimmdich-Parcours benützen und in unersättlichem Forscherdrang blondierte Haare von J. ausreißen. J. erwähnt mehrmals, dass sie das Mädchen (mit einem unglaublich entzückenden chinesischen Zopf) „adoptieren“ will. Wir warten auf einen unbeobachteten Moment, aber der Vater passt auf. An Schlaf ist unter diesen Umständen nicht wirklich zu denken. Irgendwo über der Mongolei trinken wir stattdessen Ottakringer-Bier. Mein Nachbar, ebenfalls ein Chinese, zeigt sich von den Abbildungen in meinem Buch über chinesische Geschichte dermaßen begeistert, dass er beim Durchblättern fast die Seiten herausreißt. Er ist aus Shanghai, wo auch seine gesamte Familie inklusive seiner Ehefrau lebt, arbeitet aber fast das ganze Jahr über in einem China-Restaurant in Italien. Abgesehen von dem Anschlag auf mein Buch ist er sehr freundlich, sagt unter anderem „Aódili beautiful country!“. Daraufhin ich: „China too!“ Na bitte! Über Nordostchina gibt es Turbulenzen. Eine Stewardess stürmt das WC und teilt dem dort befindlichen Herren mit, er möge sich gefälligst hinsetzen. Wir landen um 7.10 Uhr Chinesischer Zeit in Shanghai. Ich bin einer Austro-Chinesin, die weder Englisch noch Chinesisch kann, beim Ausfüllen der Entry-Card behilflich. Ich erhalte einen schweren Tadel von J., weil ich meinen Reisekoffer nicht auf Anhieb wieder erkenne. Wir werden von M. abgeholt. Mein erster Eindruck von Shanghai ist das Gefühl, in einer Großaum-Sauna gelandet zu sein. Wir fahren mit dem Taxi nach Pudong in die Baiyang Lu, wo sich die Wohnung von M. befindet. In der Folge erkunden wir- dem Jetlag trotzend – erstmals die City, und zwar per U-Bahn (derzeit gibt es zwei Linien, Tendenz sehr stark steigend) und pedes. Ich hebe unter der strengen Anleitung eines chinesischen Polizisten in einer Bank Geld ab. Allerdings erweist sich das Geldabheben an diesem Tag als ziemlich sinnlose Aktion, da wir von M. mit einem so genannten „Shanghai Stipendium“ bedacht werden (Einladung zu Essen, U-Bahn-Ticket, alles Mögliche). Wir sehen die Nanjing Donglu, den Bund, gehen in ein Café. Als wir heimkehren, gibt es eine kurze Rast. Ich schlafe kurz auf einem Sofa, aber J. weckt mich, weil ich dies nicht geräuschlos tue.

Danach geht es wieder in die Stadt. Wir erleben den trubeligen Wahnsinn des „Fake-Market“, erwehren uns der unzähligen „divideesidee“- und „Lady, want handbag?“ – Leute. M. ersteht drei „Burlington“-Hemden um 150 RMB und zeigt uns dabei, wie lustig es mit den Händlern zugeht. Hernach essen wir im Café Montmartre, einem französischen Café in der French Connection inklusive mürrischem französischem Kellner. Wir treffen uns dort mit einem Kollegen von M., der am „Fake-Market“ Uhren für eine halbe Fußballmannschaft erstanden hat.

Auf dem Heimweg mit dem Taxi gibt es gigantische Brücken zu sehen. Zuhause stoßen wir noch mit Champagner und Nussschnaps auf M.´s neuen Job an. J. verabschiedet sich um ca. 10 Uhr. Bei der „dividee“ von „Catch Me, If You Can“ nimmt auch mich der Schlaf. Ich schleppe mich aufs Sofa und schlafe bis ca. 6, halb 7, nur kurz unterbrochen von J., die sich um ca. 1 Uhr über die Hitze in ihrem Zimmer beklagt und Betten tauschen möchte, aber da bin ich zu keiner Bewegung mehr fähig.


In derlei Türmen wohnen die Shanghainesen und ein solcher beherbergte auch uns.

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