Sonntag, 18. November 2007

Ein Winzer im Reich der Mitte # 4

2005 fuhr ich nach Shanghai. Der Grund war Neugierde und die ideale Gelegenheit, die sich darbot, als J. ihren dort arbeitenden Bruder M. besuchen wollte und ich der auserwählte Reisepartner war. Das Tagebuch dieser Reise kann man jetzt auf diesem Blog nachlesen.


3.8.2005

Ich lebe in einem totalitären System. Jeder meiner Schritte wird gelenkt und überwacht. Bei jeder meiner Handlungen muss mir klar sein, dass diese gravierende Konsequenzen haben kann. Es gibt einen Plan, eine Ordnung, eine Bestimmung, und ich habe zu folgen. Man versucht mich zu erziehen, mich zu einem besseren, saubereren, ordnungsliebenderen Menschen zu machen. Mein Wille soll gebrochen werden. Ich lebe in einem totalitären System.

Ich spreche nicht von China.

Heute hat mich J. um 9 Uhr in lautem Kommandoton geweckt. Unser Marschbefehl sah die Durchwanderung der "French Concession" vor. Wir besichtigten ein Shikumen, ein typisches Shanghaier Bürgerwohnhaus der 20er und 30er Jahre. Danach besuchten wir jene Räumlichkeiten, in denen 1921 wichtige Beschlüsse zur Gründung der Kommunistischen Partei Chinas gesetzt wurden. Sie haben Tee getrunken. Ich wollte Propagandaplakate der Kommunistischen Partei kaufen, aber die waren weit überteuert. In dem teuren Souvenirshop fand sich neben Parteiemblemen und Mao-Büsten ein Pepsi-Automat.

Danach wechselten wir das ideologische Ufer. Wir nahmen an einer Führung durch jenes Haus teil, in dem Sun Yat-Sen, der Gründer der chinesischen Republik von 1911, mehrere Jahre gelebt hat. Ein sympathischer Mensch, wenn man sich sein Haus so ansieht. Aber, ich muss erst genauer in den Geschichtsbüchern nachlesen..

Wir wurden dann noch diverser anderer Sights ansichtig, u.a. eines Puschkin-Denkmales, das in der Kulturrevolution niedergerissen wurde und in den Achtziger Jahren wieder errichtet worden ist. Ausserdem sahen wir eine orthodoxe und eine protestantische Kirche (letztere durfte weder betreten noch fotografiert werden). Kurz darauf wurden wir dann von einem gefährlich ausschauenden Typen mit dunkler Sonnenbrille und schwarzem Anzug, der einem James-Bond-Film entsprungen schien, böse angefunkelt. Er bewachte ein "Shanghai Technology Center". Die organisierte Kriminalität hat offensichtlich ihr Betätigungsfeld gewechselt.

Schließlich gingen wir essen. Ich verzehrte eine knsuprige Ente, die ihrem Namen gerecht wurde und in krassem Gegensatz zu jenen Traurigkeiten stand, die einem allzu oft in heimischen Chinarestaurants auf den Tisch gestellt werden.

Das "Wiener Café" haben wir an diesem Tag übrigens auch besucht. Die Atmosphäre war nett, die Preise für Shanghaier Verhältnisse enorm hoch, J.´s Kaffee anscheinend hervorragend, der Marmortisch war auf der Unterseite aus Kunststoff und es hingen Skier an der Wand. Alles fast ganz wie in Wien.



Hier fühlt man sich irgendwie richtig groß: in der Shanghaier U-Bahn.

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