Mittwoch, 11. März 2009

Der west-östliche Georg # 2

Georg Z., mein guter Freund aus Studentenheimtagen, befindet sich derzeit dort, wo das geographische Europa nach Asien hin am westlichsten endet und das geographische Asien aus europäischer Perspektive - etwas großzügig gesprochen - am wenigsten weit im Osten anfängt: am Bosporus. Er lebt dort in seinem momentanen Aggretatszustand als Austauschstudent im asiatischen Teil der Stadt in einer WG und erkundet die in jeder Hinsicht pulsierende Metropole Istanbul. Und ab und zu berichtet er hier davon.




Der Istanbuler Straßenhund - Produkt der Evolution oder ein Geschöpf Gottes?



Hallo Martin!

Jetzt melde ich mich schon wieder mit einer Negativ=
schlagzeile aus der Türkei. Das hat dieses schöne Land,
vor allem Istanbul mit seinen vielen einzigartigen und
kreativen Geistern, die hier leben, eigentlich
überhaupt nicht verdient ...ich verspreche bald
die zahlreichen Sonnenseiten meines hiesigen
Aufenthalts in den Fokus zu rücken. Nun aber
erstmal zur bitteren Realität.

Nachdem die türkische Regierung die Youtube-Seite per
Gesetz blockieren lies, ist nun ein weiteres Hassobjekt
religiöser Intoleranz an der Reihe: Darwin höchstpersönlich.
Im Zuge des Darwin-Jahres 2009 sollten auch in der Türkei
zahlreiche Medienberichte über Darwin und seine
Evolutionstheorie erscheinen. Das ist insofern ein
Fortschritt, als in normalen Schulen nichts darüber
unterrichtet wird.

Ein maßgeblicher Beitrag über Darwin sollte in der
populärwissenschaftlichen Zeitschrift
"Bilim ve Teknik"
(Wissenschaft und Technik) erscheinen. Der 15-seitige
Artikel samt Abbildung Darwins am Cover des Magazins
wurde vom türkischen Wissenschafts- und Forschungsrat
(Tübitak) kurz vor Drucklegung entfernt und die
verantwortliche Chefredakteurin Cigdem Atakuman
von ihrer Position entbunden (Ersatz-Thema: Klimaerwärmung).
Information am Rande: es handelt sich dabei um das einzige
derartige Magazin in der Türkei.

Die Aktion kann auch als Schuss vor den Bug gegenüber
anderen Medien gewertet werden und ist meiner Meinung
nach ein weiteres Beispiel für die zunehmend religiös
motivierte Politik der AKP-Regierung unter Erdogan.
Eine Isolation der Türkei auf Grund solcher Vorfälle
ist aus meiner Sicht aber völlig falsch. Hier leben einfach
zu viele vielversprechende und engagierte junge Menschen,
die aktiv und friedlich Widerstand leisten und unter
erheblichen Risiko wertvolle Aufklärungsarbeit betreiben.
Diese Menschen verdienen unsere Aufmerksamkeit und
unsere Anerkennung!

Lieber Martin! Ich wünsche dir die allerbesten Grüße
aus Istanbul und gelobe bald mehr zu schreiben ...

Georg

Keine Kommentare:

Amnesty informiert: Menschenrechtsmusik V

Auch dieses Jahr stellen wir wieder aktuelle Musik mit Bezug zu Menschenrechten vor. Zum 5. Mal dabei und mittlerweile ein Fixpunkt in unse...