Mittwoch, 13. April 2011

Justizmisere

Die österreichische Strafjustiz ermittelt in vielen Causen zu langsam, geht der Vorwurf. Sie sei überdies insbesondere im Bereich der Wirtschaftskriminalität den Machinationen der Täter und den Winkelzügen der Anwaltsbrigaden heillos unterlegen. Sie arbeite zu träge und lasse Täter davon kommen. Es "komme nichts heraus". Man fängt an, sich über die Unschuldsvermutung lustig zu machen - angesichts mancher Verfahren ist das auf den ersten Blick zunächst einmal beinahe verständlich, in Wahrheit ist das in einem demokratischen Rechtsstaat aber eine Todsünde und ein Alarmzeichen.

Es gärt in den Cocktailbars wie an den Stammtischen. Die Politik gelobt Abhilfe zu schaffen und glaubt die Lösung gefunden zu haben: mehr Kontrolle der inhaltlichen Arbeit der Staatsanwaltschaft durch den Justizaussschuss des Parlaments. Abgesehen davon, dass diese Idee ziemlich quer zum Prinzip der Gewaltenteilung steht (nein, Staatsanwälte sind keine Richter, aber ohne sie wird nun einmal kein Richter in diesem Land überhaupt tätig..), stellt sich die Frage, was man damit erreichen will. Wir erinnern uns: das Grundproblem der österreichischen Justiz ist ihre Schwerfälligkeit. Was bitte soll sich aber daran ändern, wenn die Staatsanwaltschaft nun auch noch dem Justizausschuss des Nationalrats permanent zu Diensten sein muss? Was soll das bringen, wenn Österreichs Parlamentarier nach Gutdünken und politischer Stimmungslage in Hand verlesene, laufende Verfahren hinein intervenieren dürfen? Zweifellos ist die Vorstellung, einen direkteren Zugriff auf laufenden Causen zu haben, für die Parteisekretariate eine reizvolle. Aber, sollen wir uns das wünschen? Gerade in politisch heiklen Verfahren kann sich Kontrolle rasch in eine massive Interventionitis verwandeln und die Wahrheitsfindung stark beeinträchtigen.

Nein, die Justiz soll ungestört arbeiten können und an ihren Resultaten gemessen werden. Das bedeutet natürlich nicht, dass sie sich geheimniskrämerisch in stillen Kämmerleins verschanzen soll. Eine proaktive Informationspolitik und Transparenz sind selbstverständlich geboten. Justizministerinnen, die Hausdurchsuchungen und Kontoöffnungen zum Zwecke der Eigenprofilierung vorab ankündigen, fallen aber nicht mehr unter Vernunft geleitete Kommunikation, sondern eher unter die Kategorie Obstruktion der Ermittlungsarbeit.

Das Problem der österreichischen Justiz ist sicherlich nicht mangelnde Kontrolle. Österreichische Medien gehen zum Teil sehr freizügig mit Informationen über laufende Verfahren um und streifen dabei nicht selten an den Grenzen des rechtsstaatlich Zulässigen und des Persönlichkeitssschutzes. Das Problem der österreichischen Justiz sind fehlende Mittel. Wer die Rechtsstaatspflege jahrelang kaputt spart, darf sich nicht darüber wundern, wenn sie kaputt wirkt. Viel zu lange wurde der Justizapparat von unterschiedlichen Regierungen lediglich als Einsparungspotenzial gesehen. Wer eine effektive Strafjustiz will, die Täter ausforscht, Opfer schützt und die Menschenrechte wahrt, der muss sie auch mit den entsprechenden budgetären und personellen Ressourcen ausstatten.

Dass so etwas nicht von heute auf morgen geht, wird man der aktuellen Justizministerin zubilligen müssen. Dass sie aber einerseits die eigene Beamtenschaft öffentlichtswirksam zur Eile antreibt, aber andererseits eine "Reform" mitträgt (in Form des neuen Budgetbleitgesetzes), die das Gerichtsjahr zeitlich halbiert und entwertet (weil man in der Justiz ja kein gut ausgebildetes Personal braucht), bei Resozialisierungsmaßnahmen kürzt (weil die Täter schließlich nicht oft genug vor Gericht stehen können) und Haftentschädigungen für Unschuldige drastisch herabsetzt (weil die personell gut aufgestellte Strafjustiz bekanntlich keine Fehler macht), das grenzt schon fast ein wenig an Unverfrorenheit.

Vielleicht gibt das aber auch unseren Parlamentarier die Chance, sich darauf zu besinnen, was sie für den Rechtsstaat Österreich wirklich tun können: gegen derartige Gesetze auftreten.

1 Kommentar:

Hannes hat gesagt…

Noch schlimmer, wenn dann auch noch Verfassungsrichter öffentlichwirksam Applaus spendieren. Ansonsten wie gewohnt alles sehr richtig.

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