Samstag, 12. Januar 2013

Ohren(ge)fälliges: Monatsmeister des Monats Dezember 2012

Morlockk Dilemma - Die Taube
Leipzig, Deutschland
Gewonnene Ränge: + 8

Rapmusik und Hip-Hop-Kultur machen es einem als humanistisch geerdetem Musikkonsumenten nicht immer leicht. Blicken wir in jenes Land, aus dem seit jeher die wirklich relevante rap music herkommt, in die Vereinigten Staaten von Amerika, so stellen wir fest, das mitunter Tracks abgefeiert werden, die jenseits  unserer moralischer Schmerzgrenzen angesiedelt sind - zumal in Zeiten von Schulmassakern. Zwei Beispiele aus den Jahres-Top 100 der Indie-Institution Pitchfork gefällig?

Gunplay (nomen est omen) baut das Gerüst seiner Nummer "Jump Out" aus knallenden Pistolen, ratternden Gewehren, Schreien und Sirenen. Das ist schockierend und brutal, gleichzeitig aber handwerklich verdammt gut gemacht. Dass ihm nun eine Anklage wegen bewaffneten Raubüberfalls bevorsteht, könnte seine Karriere aber doch spürbar bremsen (Quelle). Oder nehmen wir Chief Keef, die Speerspitze der reichlich gehypten drill music aus Chicago. In seinem Unheil schwangeren Song "I Don´t Like" werden reihenweise Polizeispitzel und sonstige Übeltäter verbal liquidiert. Der Hintergrund ist grausam und real: die endemische Gewalt der Gangs in den afroamerikanischen Vierteln der drittgrößten Stadt der USA. Die amerikanische (Indie-)Musikpresse reagiert mit einer Mischung aus soziologischem Diskurs und relativierendem Achselzucken. Entziehen kann sie sich den beats und rhymes von den rauen Straßen aber nicht. Zu aufregend, zu mitreißend, zu innovativ ist das.

Ist das nun ein Dilemma, dass dem hiesigen Gutmenschen nicht widerfahren kann? Orientieren wir uns an den prominentesten Präponenten eines deutschsprachigen "Gangster"-Rap können wir sagen: ja. Die sind in Castingshows oder Musikvideos mit Karel Gott gut aufgehoben und musikalisch ungefähr so spannend wie die Wildecker Herzbuben. Aber, es gibt auch mitten in Europa Straßenrapper von anderem Kaliber.

Morlockk Dilemma etwa. Auch seine Texte sind regelmäßig provozierend, hart, düster. Doch der bürgerlich Falko Luniak Geheißene, dessen Weg als Hip-Hop-Künstler in einer Leipziger Plattenbausiedlung begann, hat Attribute, die ihn hervorheben: seine heisere, unverwechselbare Stimme, sein Atem beraubend schneller und zugleich präziser Vortrag. Und die Fähigkeit, manchmal wirklich beeindruckende Songtexte vorzulegen, wie in "Die Taube", einem gesellschaftskritischen bis dystopischen Panorama, das er auf nostalgischen Beats und Samples und anhand der metaphorischen und realen Eigenschaften des Titelvogels entwirft.


 

Morlockk Dilemma - Die Taube (freier Download im Rahmen eines Mixtape anlässlich 10 Jahre Melting Pot Music)

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Darauf ist noch Verlass! Der alljährliche Halloween-Post

  Danke an Alex P.!