Montag, 15. September 2014

Ohren(ge)fälliges: Monatsmeister des Monats August 2014

Chance The Rapper - Cocoa Butter Kisses (feat. Vic Mensa and Twista)

Chicago, Illinois
Gewonnene Ränge: + 8

Man muss sagen das ist bitter: da kommt der junge Rapper von der Straße, wo er sich aus spirituellen wie geschäftlichen Gründen mit verschiedensten Rauschmitteln beschäftigt, sowie mit seinen diversen Skills seinen Kumpels und den Frauen imponiert hat, wieder nach Hause. Und dann verweigert ihm die eigene Mutter die innige Umarmung inklusive den nach dem Kokos der Gesichtscreme duftenden Küssen. Ja, selbst die Oma will um ihrer Zuneigung Willen getäuscht sein: Augentropfen müssen strategisch eingesetzt werden, um verdächtige Erscheinungen zu beseitigen.

Es kommt nicht oft vor, dass ein Rapsong etwas derart Anrührendes an sich hat. Der die Zeilen verfasst hat, ist ein Shootingstar des Hip-Hop, der aus der Chicagoer South Side stammende Chance the Rapper. Mit 18 produzierte er sein erstes Mixtape, das er infolge einer wegen Cannabisvergehen ausgefassten 10-tägigen Schul-Suspendierung "10 Days" nannte und das sich via Internet Lawinen artig verbreitete. Das Nachfolgewerk (wieder ein Mixtape) heißt "Acid Rap", ist am 30. April 2013 erschienen und wurde von den Musikkritikern in seltener Eintracht in den Himmel gehoben. Dann ging alles sehr schnell. "Acid Rap" schaffte es dank illegaler Bootlegs in die Billboard-Top 100 der meistverkauften R´n´B/Hip Hop-Alben, obwohl es auf der Website von Chance The Rapper zum kostenlosen Download bereit stand (und noch steht). Und Mainstream-Megaseller wie Justin Bieber oder Skrillex verpflichteten den nunmehr 20-Jährigen als Mitwirkenden.

Etwas Reflexionsfähigkeit kann bei dieser steilen Entwicklung nicht schaden und die demonstriert der Künstler zumindest auf "Cocoa Butter Kisses". Hier sinniert er über den Verlust der Geborgenheit der eigenen Kindheit, ihrer Unschuld, über die schmerzhafte Entfremdung aus der eigenen Familie, die sein selbst gewählter, "erwachsener" Lebensstil mit sich bringt. Stellvertretend für die alten Zeiten werden da die Nickelodeon-Videokassetten nochmals besungen, Fernsehserien, Fertigpizzen, die den Geschmack der Kindheit ausgemacht haben.

Und im letzten Vers, den der arrivierte Chicagoer Rapper Twista in bekannter Highspeed-Manier darbietet (auch Vic Mensa ist zwischendurch mit von der Partie), dräut die Erkenntnis: Es ist das Zuhause, es ist familiäre Geborgenheit, die diesem Leben fehlt. Und alles nur "cause I´m stanking".

Chance The Rapper - Cocoa Butter Kisses (feat. Vic Mensa and Twista)

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