Dienstag, 12. Mai 2015

In Concert # 51: Scott Matthew, 30.4.2015, Posthof, Linz

Manchen Musikern eilt dieser Ruf voraus, wonach man sie nicht (nur) nach ihren Platten beurteilen möge, sondern insbesondere nach ihren Liveauftritten. Scott Matthew gehört dazu. Menschen, die ich nicht als große Musikenthusiasten bezeichnen würde, haben mir, nachdem sie ihn höchstpersönlich erlebt haben, davon vorgeschwärmt. Das macht neugierig.

Am 30. April war Scott Matthew im Posthof, zwei Tage bevor er auch das Donaufestival beehrte. Ein erstes Indiz für seine erstaunliche Breitenwirksamkeit. Ein zweites Indiz: ein sehr voller Großer Saal des Posthof (bestuhlt) und ein altersmäßiger quer geschichtetes Publikum. Scott Matthew ist ob dieses Zuspruchs positiv überrascht, wie er feststellt, und fühlt sich hier wohl.

Schon erhebt der mit hippem 19. Jahrhundert-Waldbewohner-Vollbart versehene Australier seine Stimme, dieses durchdringende Organ, begleitet von seiner Westerngitarre (dann auch: Ukulele) und seiner Band (Gitarre, Piano, Cello). Ich erschaudere ein wenig, aber wohlig. Obgleich sich Scott Matthew noch ein wenig justieren muss. Ein Schluck Wasser da, daneben wird eine Rotweinflasche geöffnet. Sie wird uns und den Künstler den ganzen Abend begleiten.

Eigenes Songmaterial des Scott Matthew, vorwiegend der ersten Alben, steht am Anfang des Programmes. Nachdenklich, introspektiv und in Moll sind seine Kompositionen gehalten. Aber, wer angesichts des schwermütigen Pathos seiner Stücke einen beständig traurig vor sich hin schmachtenden Leidensmann erwartet hat, wird überrascht. Matthew ist ein gut gelaunter Unterhalter, der zufrieden am Rotweinglas nippt, Anekdoten aus seinem Leben erzählt und das Publikum mit witzigen Bonmots bei Laune hält. Dieser Mann ist der Traum jeder Dinnerparty. Welch ein Kontrast zu den üblichen Indie-Gitarren-Acts, wenn sie cool ihre Instrumente schwenken, ab und zu gnädig einen Brocken ans Publikum werfen und alles in allem ein Feeling vermitteln, als wären sie ihr eigener Plattenspieler!

Aber Matthew hat auch musikalisch einiges drauf. Sein ausdrucksstarker, zuweilen erschütternder Bariton ist zu verschiedensten Varianten und Regungen fähig. Dunklen Perlen unterschiedlicher Größe und Textur gleich fluten seine Lieder durch den Saal.

Das Publikum versetzt diese raffinierte Mischung aus tragischer Herzausschüttung und freundlichem Gerede in zunehmende Entzückung. Es ist in seinem Bann gefangen, möchte ihn trösten, ihn umarmen. So ein netter Mensch und so ein schweres Herz! Scott Matthew weiß, jetzt ist der Weg zum Triumph nicht mehr weit. Er muss noch sein Trumpf-As hinaus hauen.

Zu diesem Zweck hat er sich ein beachtliches Repertoire an Coverversionen großer Songs geschaffen und 2013 mit "Unlearned" auch ein sehr erfolgreiches Album mit solchen vorgelegt. Weil Scott Matthew ein fast unanständig geschmackvoller Mann ist, sind das überwiegend großartige Songs wie "Darklands" von The Jesus And Mary Chain, "Annie´s Song" von John Denver (zu dessen Ehrenrettung er stilsicher antritt) oder "Into My Arms" vom Landsmann Nick Cave. Und starke Cover sind es auch.

Mit ihnen kriegt er sie alle: Die Musik-Nerds, die coolen Hipster, die Nostalgiker, sogar die Freunde von Popsongs, die in der Jugend mitgejohlt wurden ("I Wanna Dance With Somebody"). Mit seinen großartigen Interpretationen von "Annie´s Song" und "Into My Arms" kriegt er am Ende auch mich. Und auch die eigenen Werke bestehen großteils, wobei die doch verhältnismäßig ins poppige gewendeten Songs von aktuellen Longplayer "This Here Defeat" (eine schwere persönliche Niederlage, der arme Mensch!) sich erstaunlich firm ins Programm des Perfektionisten (deswegen auch eher keine Songwünsche) einfügen.

Am Schluss Standing Ovations und feuchte Augen. "Das ist alles, was ich heute in mir habe", sagt er dann, geradezu entschuldigend-flehentlich.

So sehr die Alben von Scott Matthew die Geschmäcker spalten mögen, so Welt umarmend und kompromissbereit agiert er on stage. Natürlich ist das auch eine perfekte Inszenierung, eine ausgeklügelte Balance. Aber letztlich wahrhaft perfektes Bühnenhandwerk, dass man einmal erlebt haben sollte.

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  Danke an Alex P.!