Samstag, 17. Mai 2014

In Concert # 44: Everlast, 10.5.2014, Posthof, Linz

Am Vorabend ist er im "Hintern des Teufels" (übersetztes Zitat) aufgetreten. Nice crowd, aber leider viel zu heiß. Im Posthof ist das anders, hier fühlt es sich luftig und frisch an, wie unter den Fittichen von Engeln. Erik Schrody ist gerne hier, sagt er.

Überhaupt, die Körperlichkeit und ihre Hinfälligkeit, ihre Vergänglichkeit. Irgendwie ist dieses Thema an diesem Abend im Posthof präsent. Den Bühnenraum dominiert ein Transparent, auf dem unter dem Namens-Schriftzug "Everlast" ein barocker Vanitas-Totenkopf abgebildet ist. Everlast, das heißt ja so etwas wie immerwährend. Aber um auszuhalten, muss der so benannte Künstler hart arbeiten. Eine ganze Reihe von Getränkebehältnissen zirkuliert in scheinbar gleich bleibender Abfolge zwischen jedem Stück zu seinem Mund. Das mache er freilich nicht zum Spaß, betont der Mann mit der künstlichen Herzklappe. Angeblich ist es Whisky, aber das kann man hinterfragen.

Die Arbeit lohnt. Der Everlast-Bariton ist uns schon vor der Eingangspforte zum Mittleren Saal wohl klingend und unverwechselbar entgegen gekommen. Drinnen ist es gesteckt voll, der Saal erscheint für den Anlass fast unterdimensioniert, quillt über. Herr Schrody hat sich durch seine diversen Wandlungen zwischen Hip-Hop und Singer/Songwriter hindurch eine beachtliche Fanbasis erarbeitet und auch bewahrt. Hits wie "What It´s Like" oder das Grammy-bedachte "Put Your Lights On" (mit Carlos Santana) haben da geholfen. In den Nullerjahren benannte man das, was Everlast machte, mit dem hilflosen, unglücklichen und zu Recht verstorbenen Ausdruck "Crossover".

Nun kondensiert er sein Lebenswerk mit Hilfe einer akustischen Gitarre, begleitet alleine von einem Keyboarder. The Life Acoustic heißt das zur Tour gehörige Plattenwerk. Blues, Soul, Folk, Country, Rockabilly, Hip-Hop, all das diverse Inventar aus des Künstlers Schaffen, findet hier seinen Platz, gerinnt zu derartigen Klängen. Naturgemäß kommt er mit seiner Akustischen freilich auf dem bluesigen, folkigen oder souligen Terrain besser voran, als etwa bei Nummern, die originär dem Hip-Hop oder auch Rock entstiegen sind.

Everlast beginnt mit ruhigem Blues-Geschrammel, arbeitet sich dann langsam zu den emotionalen Höhepunkten vor. Bei "What It´s Like" gehen zwar nicht die Feuerzeuge, aber die leuchtenden Handy-Displays in die Höhe, ein Brauch, der immer seltener zu beobachten, aber unter Everlast-Anhänger offenbar noch nicht ganz verpönt ist. Den Refrain darf das Publikum gleich selbst übernehmen. Der Mann auf der Bühne weiß, was er seinen Sympathisanten schuldig ist. Bei einer ziemlich werkgetreuen Darbietung des "Folsom Prison Blues" gerät der Saal vollends in Wallung. Vor den Zugaben gönnt sich Erik Schrody eine etwas längere Rekonvaleszenz-Phase, während der sein Keyboarder solo und etwas zu lange drauf los orgelt. Zurück auf der Bühne beschwört er mit "Lean On Me" das Gemeinschaftsgefühl und hat die anwesende Menschengruppe mit ihrer Aufmerksamkeit wieder an Bord.

Die Umsetzung der Titel ins Feld des Akustischen erscheint unterschiedlich. "White Trash Beautiful" gerät schön und lyrisch, bei "Black Jesus" gehen einem doch ein wenig die Bässe ab, "Put Your Lights On" hingegen wirkt würdevoll und lässt nicht allzu viele Wünsche offen. Ganz zum Schluss darf auch der alte House of Pain-Hit "Jump Around" - auch den Hip-Hop-Nichtauskennern bekannt aus über 20 Jahren Funk- und Fernsehgeschichte - nicht fehlen. Nur, Everlast macht hier nicht den Fehler, wie wild auf seiner Gitarre herum zu hämmern, um so etwas wie das Mimikry des ursprünglichen Bassbeats hervor zu bringen. Er lässt es, wie meist an jenem Abend ruhig angehen, bietet eine runter gedrosselte, geradezu introvertierte Version im Reggae-Folk-Modus. Ein Ahnung von Härte und Aggressivität kommt an jenem Abend nur bei der rebellisch-widerständigen Nummer "Stone In My Hand" auf, die Everlast, wenn ich das richtig gehört habe, der Ukraine widmet.

Nach nicht viel mehr als eineinhalb Stunden ist der Auftritt vorbei. Man hat dennoch nicht das Gefühl, unangemessen verkürzt worden zu sein. Zu souverän, zu ernsthaft, zu fokussiert, zu reif war das Dargebotene.

Wer sich der Vergänglichkeit seiner selbst und der eigenen Werke bewusst ist, der altert womöglich besser, würdiger. Auch und gerade, wenn er den Namen Everlast trägt.





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