Weihnachtszeit ist Spendenzeit. Die große, volkstümliche ORF-Spendenshow "Licht ins Dunkel" hat wieder einmal das Ergebnis des Vorjahres übertroffen, trotz hereinbrechender Wirtschaftskrise. Im Allgemeinen nimmt aber angesichts klammer Geldbörsen die Bereitschaft der ÖsterreicherInnen zum Geldspenden ab, NGOs konstatieren zunehmend Probleme im Lukrieren der benötigten Mittel.
In dieser Situation liegt nun ein Beschluss des Ministerrates vor, wonach "mildtätige" Spenden künftig steuerlich absetzbar sein sollen.
Was "mildtätig" ist, das wird freilich Josef Pröll selbst bestimmen. Und, er ließ auch schon verlauten, dass er mit Sicherheit keinen "Aktivismus" und keine "Demonstrationen" fördern wolle.
Mit anderen Worte: Wer erstens brav den Mund hält und zweitens jene sozialen Mindeststandards herstellt, für die eigentlich der Staat sorgen sollte, wird von der Regelung begünstigt.
Alle anderen schauen durch die Finger und sehen sich unter Umständen durch die Umleitung der Spendenströme in ihrer Existenz gefährdet. Katholisch-demütiger Dienst am Nächsten: ja, lautstarkes Aufmerksammachen auf gesellschaftliche Missstände und Grundrechtsverletzungen: nein! Das erinnert an jene juristische Tricks, mit denen Wladimir Putin in Russland die Zivilgesellschaft zu gängeln pflegt.
Zugleich ist ein Gesetz zur Absetzbarkeit von Spenden nichts anderes als die konsequente Umsetzung einer ideologischen Agenda. Als wohltätiger Akt getarnt, wird hier in Wahrheit der soziale Bereich privatisiert, es wird dem Staat ermöglicht, sich aus der sozialen Verantwortung hinauszustehlen.
Natürlich begrüßt man im Lager der Hilfsorganisation diese Maßnahme. Dort regiert verständlicher Weise der kurzfristige Blick auf das Wohlergehen der eigenen Organisation und auf die Aufrechterhaltung laufender Projekte. Langfristig kommt die steuerliche Absetzbarkeit karitativer Spenden aber einem dezidiert neoliberalen Wunschtraum verdächtig entgegen: dem völligen Rückbau des Staates zugunsten privater Akteure! Auch im sozialen Bereich.
Natürlich weist private Hilfe gegenüber staatlichen Sozialleistungen Vorteile auf. So können private und kirchliche Organisationen oft schneller und direkter helfen als staatliche Stellen. Allerdings stehen diesen Vorteilen gravierende Nachteile gegenüber. Vereine sind lediglich an vereins- und privatrechtliche Normen gebunden, die Regeln des staatlichen Verfassungsrechts müssen von ihnen nicht beachtet werden. Und das schließt jene Bestimmungen mit ein, die den Schutz der Menschenwürde im Auge haben: die Menschenrechte. Somit darf ein privater Verein im Grunde genommen nach Herzenslust selektieren, wem er wie Hilfe angedeihen lässt. Ein Gebot der Gleichbehandlung, der Sachlichkeit, ein Verbot der Diskriminierung - Fehlanzeige!
Zudem ist private Hilfe stets gefährdet, durch nicht vorhergesehene äußere Umstände plötzlich wegzubrechen. Der Zusammenbruch großer karitativer Stiftungen in den USA im Gefolge der Finanzkrise hat dies eindrucksvoll bewiesen. Wenn es hier keinen organisierten Sozialstaat mehr gibt, der rettend eingreift, sind Tragödien vorprogrammiert (und die dürften sich in den Staaten auch gerade ereignen).
Wünschenswert wäre also in Wahrheit ein kluges Ineinandergreifen sozialer Instrumente des Staates wie der privaten Vereine. Eine steuerliche Absetzbarkeit von Spenden macht in diesem Zusammenhang nur dann Sinn, wenn erstens gewährleistet ist, dass dies nicht mit einem Rückbau des Sozialstaates (und der fängt schon in den Schulen wie in den Polizeiwachzimmern an!) einhergeht, die ausbleibenden Steuereinnahmen also nicht der, an verfassungsrechtlichen Vorgaben orientierten, staatlichen Leistungserfüllung verlustig gehen. Und, wenn zweitens eine solche steuerliche Begünstigung nicht nur handverlesenen "mildtätigen" Organisationen des karitativen Bereiches zukommt, sondern ein weiterer Ansatz gewählt wird, der anerkennt, dass der Dienst am Menschen und der Menschheit in vielfältigen Formen, etwa auch durch den Einsatz für den Klimaschutz oder die Menschenrechte, erfolgen kann.
In dieser Hinsicht sprechen die Aussagen des Finanzminister über "Aktivismus" und "Demonstrationen" nämlich leider Bände. Darüber, wie man die Welt aus einer Perspektive der Engstirnigkeit und Fantasielosigkeit sehen kann, über die Unfähigkeit oder den Unwillen über mehr als zwei Ecken zu denken. Aber auch über mangelndes demokratiepolitisches Gespür und die Unkenntnis der Geschichte. Denn der "Aktivismus" und die "Demonstrationen" waren es erst, die jene Grundlagen geschaffen haben, auf denen Josef Pröll sein Amt ausübt.
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