Sonntag, 11. August 2013

Ohren(ge)fälliges: Monatsmeister des Monats Juli 2013

Sants - Ollie Bob

Jundiaí, Brasilien
Gewonnene Ränge: + 10

Brasilien will aufzeigen. Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und dann -warum nicht? - gleich auch noch die Olympischen Spiele 2016. Große Prestigeangelegenheiten, keine Frage. Aber erfahrungsgemäß auch ein verdammt teurer Spaß, an dem eigentlich nur die großen Sportverbände wirklich nachhaltig verdienen. Die Entscheidungen dafür sind auf der Höhe des brasilianischen Wirtschaftsbooms gefallen, ein gewisser Übermut mag da mitgespielt haben. Mit dem dürfte es jetzt freilich vorerst vorbei sein, die Rohstoffpreise fallen, die Investorenkarawane zieht weiter, die Weltkonjunktur lahmt sowieso. Durch die Unruhen während des "FIFA Confederations Cup" hat die Regierung, die manchen Protestierenden zu sozialistisch und anderen wiederum zu neoliberal ist, einen Geschmack davon bekommen, wie die Stimmung im Land wirklich ist und was da vielleicht noch auf uns zukommt, wenn sich die Dinge ungünstig entwickeln sollten. Brasilien ist immer noch ein Land mit enormem Wohlstandsgefälle und entsprechenden sozialen Konflikten.

Gar nichts mehr beweisen muss Brasilien im Feld der Kultur, speziell der Musik. Seit Jahrzehnten beeindruckt die Lebendigkeit, die Produktivität, die Innovationskraft des größten lateinamerikanischen Landes in diesem Bereich, das es zuweilen auch schafft, die Hegemonie der angelsächischen Musikkultur auf globaler Ebene herauszufordern. Die brasilianische Populärmusik, die sich aus den vielen verschiedenen Quellen speist, die dieses vielfältige, pulsierende Land ausmachen, hat wegen ihrer Durchdringung aller Teile der Gesellschaft auch politisch maßgebliche Bedeutung, wie das Beispiel der "Tropicália" der späten Sechziger zeigt.

Ob mein aktueller Monatsmeister, das Stück "Ollie Bob" von Sants, irgend etwas mit Politik am Hut hat, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, wer oder was ein "Ollie Bob" ist. Vielleicht ist ja auch besser so. Fest steht, dass wir es mit einem treibenden, aber nicht zu schnellen Electro-Track von geradezu hypnotischer Wirkung zu tun haben, der einen genauso auf die Tanzfläche einlädt wie er auch ruhige Versenkung lohnenswert erscheinen lässt. Gefällige Melodien verschmelzen mit angesagten Beats und einem Hang zur Computerspielmusik der 90er Jahre zu einer lässig daher kommenden Einheit, der aber auch etwas Dräuendes und Dringliches anhaftet, nicht zuletzt wegen der zwischenzeitlich abgefeuerten Schüsse.

Auf seiner Soundcloud-Seite macht der Künstler, der aus der 300.000-Einwohner-Stadt Jundiaí nahe Sao Paulo kommende Daniel Santos, alias Sants, den Eindruck des an Beats und sonischen Spielereien tüftelnden Elektronik-Geeks, der vielleicht noch nicht hundertprozentig seinen Stil gefunden hat, sich in dieser Rolle aber hörbar wohlfühlt. "Ollie Bob" ist auch auf "Hy Brazil Vol. 1" erschienen, einer von Chico Dub, dem Gründer des "Novas Frequencias"-Festivals in Rio, zusammen gestellten Compilation, die sich mit der Szene junger brasilianischer Beatschmiede befasst und noch einige weiteren Entdeckungen ermöglicht.




Ein komplettes Live-Set von Sants hat sein Label, Beatwise Records, auf YouTube gestellt:

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