Chan Marshall hat es auch in der Arena nicht so leicht. Immer wieder geht der Finger nach oben, wird der Soundtechnik Änderungsbedarf signalisiert.
Zwischendurch spricht sie mit uns: Es ist nicht einfach, es läuft nicht wie geprobt. Die Worte, die sie singen will, verwandeln sich in ihrem Mund in Kaugummi. Aber sie ist hier, um ihre Pflicht zu erfüllen. Schließlich und endlich ist es die Anerkennung der Menschen, die sie am Leben erhält.
Flehentlich fast klingt das, was sie uns da mitteilt. Wenn man es versteht, denn sie murmelt teilweise ein wenig in ihr Mikro hinein und verliert sich bei ihren Ausführungen immer wieder in leichten Abschweifungen.
Mehrmals unterbricht sie ihre musikalische Darbietung, um sich ihrer Gedanken zu entledigen. Sie erzählt von Begegnungen mit Jarvis Cocker und Noel Gallagher. Sie spricht darüber, dass sie jetzt ein Kind hat und sich paradoxerweise dadurch sicherer fühlt, obwohl sie doch für die Sicherheit ihre Kindes sorgen muss. Dass sie jetzt am Land lebt. Sie möchte wissen, wer im Publikum Kinder hat. Und wer am Land lebt. "Graz" ruft ein Scherzbold, alle lachen und Cat Power versteht, dass es sich dabei um einen Vorort von Wien handeln muss.
Manchmal kippt der Vortrag etwas ins Unheimliche, etwa wenn sie von ihren Alptraum-haften Begegnungen mit Außerirdischen in der Kindheit berichtet oder über die Bedeutung der Obelisken nachgrübelt. Aber ihre Wortmeldungen helfen, ebenso wie eine auf der Bühne abgehaltene Zigarettenpause, eine Bindung zum Publikum herzustellen.
Das braucht es auch, denn die Musik ist anfangs nicht dazu angetan, das Publikum wirklich in Wallung zu bringen. Cat Power solo, das ist zunächst eine einzelne Gitarre, dann ein einzelnes Piano dann wieder die Gitarre. Alles also ganz spartanisch instrumentiert, ein paar Akkorde bewegen sich hin und her, darüber schwebt die Stimme, die nachdenkliche Inhalte verbreitet.
Die Songs kommen auf ihrem spärlichen Blues- oder Folkgerüst sehr ähnlich daher, die Veränderungen sind mit der Lupe zu suchen. Um die Nummern wirklich auseinander zu halten, hätte ich mich vorbereiten müssen (was ich diesmal nicht getan habe). Cat Power bringt auch einige Cover zur Darbietung (zB "Hit the Road, Jack" oder "Just Like Heaven"), aber irgendwie klingt alles nach einer Variation desselben Stückes. Erst gegen Ende kommt etwas Farbe hinein, einmal ein psychedelischer Spin, dann etwa dunkler Rock.
Aber siehe da, durch die irgendwie beunruhigenden, irgendwie aber auch sympathischen Intermezzi der Wortmeldungen wärmt das Publikum auf und scheint von einer etwas unschlüssig-andächtigen in eine wahrhaft andächtige Stimmung zu wandern.
Mir tun die Beine weh, weil ich wie festgepflockt dastehe und lausche. Also sind da Schmerzen und es ist da auch immer wieder die Frage, ob das jetzt nicht gar monoton, ob das jetzt nicht langweilig wäre. Aber zugleich ist da die Stimme, die fasziniert und die diffizile Strukturiertheit, die durch die Unterschiedslosigkeit dringt. Und der Sound, der womöglich Cat Power fehlerhaft dünkt, aber mir bei weitem nicht.
Mir scheint diese Musik wie die Entsprechung zum Kaugummi, den die Künstlerin selbst im Mund wälzt - es schmeckt etwas komisch, der Vorgang ist etwas monoton, es gehört Arbeit dazu, das zu bearbeiten und es wird auch nicht runter gehen wie Öl. Aber der Vorgang berührt und fasziniert. Jetzt wieder einmal die Platten hören.
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