Geht es nach den Enthüllungen des Edward Snowden, die über den Guardian und die Washington Post an das Licht der Weltöffentlichkeit gelangt sind (eine gute Zusammenfassung findet sich hier), so ist das Epizentrum der globalen Bespitzelung nicht in den USA und bei der NSA zu finden, sondern auf europäischem Boden. Genauer gesagt in der beschaulichen Stadt Cheltenham am westlichen Rand der Catswolds im englischen Gloucestershire. Dort befindet sich das riesige, Doughnut-förmige Hauptquartier des Nachrichtendienstes GCHQ, das Anfang der Nullerjahre unter Tony Blair für kolportierte 450 Millionen Pfund errichtet wurde. Der GCHQ soll, so wird berichtet, indem er die Übersee-Glasfaserkabeln anzapft, für den Löwenanteil jener Daten verantwortlich sein, die für die nachrichtendienstliche Auswertung gewonnen werden. Tempora heißt das. Die NSA wiederum soll dafür großzügige finanzielle Hilfe leisten.
Angesichts dieser und anderer (man denke nur an den Vorwurf, Diplomaten und Regierungsvertreter anderer Staaten bespitzelt zu haben) Vorhalte muss es uns erst einmal nicht überraschen, wenn die britische Regierung eher unentspannt reagiert. Nur, was wir uns dann schon fragen dürfen: Warum gerade auf diese Weise?
Da treten GCHQ-Agenten an, um im Keller des Guardian Festplatten mit Snowden-Material zu shreddern, da wird der Lebensgefährte des Guardian - Journalisten Glenn Greenwald aufgrund eines schwammigen Anti-Terror-Paragraphen im Transitbereich eines Londoner Flughafens neun Stunden lang festgehalten, sein Laptop und DVDs, auf denen "sensibles Material" vermutet wird, beschlagnahmt. Potenzielle Rechtsbrüche, mögliche Grundrechtsverletzungen, Angriffe auf die Pressefreiheit, aber wofür?
Wohl kaum um verhängnisvolle Daten aus dem Verkehr zu ziehen, ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Denn, dass davon mittlerweile an mehreren Orten auf der Welt Kopien existieren, muss selbst dem beschränktesten Regierungsbeamten klar sein. Bleibt nur die Interpretationsvariante mit der beabsichtigten Einschüchterung. Nur, dass das in der Situation, in der sich die Beteiligten befinden, auch nicht mehr so richtig funktioniert. Die Sache ist öffentlich und Snowden, Greenwald und Co sind vom Ethos des Aufdeckens eines gigantischen Grundrechtsskandales erfüllt.
Es muss also so sein, dass im Kopf von Premier David Cameron und seinen Mitstreitern die schiere Panik waltet, eine Panik, die das Gefühl nährt, es müsse irgendetwas geschehen, auch wenn es im Grunde irrational ist und man sich damit letztlich nur noch tiefer in die eigene Unrechtsgrube hinein gräbt.
Das hat nicht nur etwas mit den - ohnehin erschreckenden - Ausmaßen der Überwachungsaffäre zu tun, sondern auch mit der Drift, die ich schon hier zu beschreiben versucht habe. In der Überwachungsthematik spitzt sich die Frontstellung zwischen den politisch-bürokratischen Autoritäten und den nach individueller Verwirklichung strebenden BürgerInnen zunehmends zu. Letztere fordern von ihren Regierungen immer lauter größtmögliche Transparenz und Rechenschaft, sind immer weniger zu blindem Vertrauen bereit, sehen sich aber zugleich mit - zumindest für westliche Demokratien - beispiellosen Eingriffen in ihre Privatsphäre durch die gegen Kontrollverlust ankämpfenden Behörden konfrontiert.
Der Bereich der Nachrichtendienste wiederum stellt noch einmal ein Spezifikum dar, hat schon immer ein Eigenleben geführt, das in Wahrheit von unseren Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit und auch Moral weit entfernt ist. Das letztlich auch darüber, über diese rechtliche Anomalie, dieses Überbleibsel des geheim wie willkürlich werkenden Obrigkeitsstaates, eine Debatte entbrennt, das auch dieser Bereich mit dem gläsernen Messer der Transparenz angegangen wird, davor dürften die Regierenden ebenfalls Angst empfinden.
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Sonntag, 25. August 2013
Mittwoch, 5. Januar 2011
Mittwoch, 11. März 2009
Der west-östliche Georg # 2
Georg Z., mein guter Freund aus Studentenheimtagen, befindet sich derzeit dort, wo das geographische Europa nach Asien hin am westlichsten endet und das geographische Asien aus europäischer Perspektive - etwas großzügig gesprochen - am wenigsten weit im Osten anfängt: am Bosporus. Er lebt dort in seinem momentanen Aggretatszustand als Austauschstudent im asiatischen Teil der Stadt in einer WG und erkundet die in jeder Hinsicht pulsierende Metropole Istanbul. Und ab und zu berichtet er hier davon.

Der Istanbuler Straßenhund - Produkt der Evolution oder ein Geschöpf Gottes?
Der Istanbuler Straßenhund - Produkt der Evolution oder ein Geschöpf Gottes?
Hallo Martin!
Jetzt melde ich mich schon wieder mit einer Negativ=
schlagzeile aus der Türkei. Das hat dieses schöne Land,
vor allem Istanbul mit seinen vielen einzigartigen und
kreativen Geistern, die hier leben, eigentlich
überhaupt nicht verdient ...ich verspreche bald
die zahlreichen Sonnenseiten meines hiesigen
Aufenthalts in den Fokus zu rücken. Nun aber
erstmal zur bitteren Realität.
Nachdem die türkische Regierung die Youtube-Seite per
Gesetz blockieren lies, ist nun ein weiteres Hassobjekt
religiöser Intoleranz an der Reihe: Darwin höchstpersönlich.
Im Zuge des Darwin-Jahres 2009 sollten auch in der Türkei
zahlreiche Medienberichte über Darwin und seine
Evolutionstheorie erscheinen. Das ist insofern ein
Fortschritt, als in normalen Schulen nichts darüber
unterrichtet wird.
Ein maßgeblicher Beitrag über Darwin sollte in der
populärwissenschaftlichen Zeitschrift
"Bilim ve Teknik"
(Wissenschaft und Technik) erscheinen. Der 15-seitige
Artikel samt Abbildung Darwins am Cover des Magazins
wurde vom türkischen Wissenschafts- und Forschungsrat
(Tübitak) kurz vor Drucklegung entfernt und die
verantwortliche Chefredakteurin Cigdem Atakuman
von ihrer Position entbunden (Ersatz-Thema: Klimaerwärmung).
Information am Rande: es handelt sich dabei um das einzige
derartige Magazin in der Türkei.
Die Aktion kann auch als Schuss vor den Bug gegenüber
anderen Medien gewertet werden und ist meiner Meinung
nach ein weiteres Beispiel für die zunehmend religiös
motivierte Politik der AKP-Regierung unter Erdogan.
Eine Isolation der Türkei auf Grund solcher Vorfälle
ist aus meiner Sicht aber völlig falsch. Hier leben einfach
zu viele vielversprechende und engagierte junge Menschen,
die aktiv und friedlich Widerstand leisten und unter
erheblichen Risiko wertvolle Aufklärungsarbeit betreiben.
Diese Menschen verdienen unsere Aufmerksamkeit und
unsere Anerkennung!
Lieber Martin! Ich wünsche dir die allerbesten Grüße
aus Istanbul und gelobe bald mehr zu schreiben ...
Georg
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