Wir alle kennen die grauenhaften Bilder aus der ehemaligen US-amerikanischen Internierungsanstalt im irakischen Abu Ghraib, die im Jahr 2004 an die Weltöffentlichkeit gelangt sind und die Angehörige der amerikanischen Militärpolizei sowie der U.S. Marines zeigen, die Gefangene foltern und demütigen.
Im Mittelpunkt des medialen Interesses stand damals sehr bald Lynndie England, eine gerade 21-jährige Militärpolizistin, die von ihrem Lebensgefährten dazu angestiftet worden war, auf einigen dieser Fotos zu posieren. Das Bild etwa, auf dem zu sehen ist, wie sie einen am Boden liegenden irakischen Gefangenen an einer Leine hält, brannte sich in das kollektive Bewusstsein der Welt ein.
Die Bilder setzten die damaligen Regierung Bush und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld unter Zugzwang. Eilig wurde betont, dass es sich um die Taten Einzelner handeln würde. Rumsfeld nannte Lynndie England "das Böse in unserer Mitte" und "unamerikanisch". Dabei hatte er selbst 2002 die Devise ausgegeben, die den "Krieg gegen den Terror", jenes schwer fassbare, schwer definierbare, Rechtfertigungskonstrukt, prägen sollte: Terrorverdächtige sind "unlawful combattants", sie haben keinen Anspruch auf den Schutz der Genfer Konvention. Sie sind keine Rechtssubjekte, sie sind Objekte.
Lynndie England wurde in einem Verfahren, das das US-Militär selbst durchführte, zu drei Jahren Haft verurteilt. 2007 wurde sie auf Bewährung entlassen. Sie lebt seitdem in dem Wohnwagen ihrer Eltern in West Virginia, in dem sie aufgewachsen ist, und ist arbeitslos.
Wer ist diese Lynndie England und wie wurde sie in die Abu Ghraib-Affäre verstrickt? Wie kam es, dass sie diese Taten beging und warum war sie es, die zum Symbol der dunklen Seiten Amerikas gemacht wurde, während ihre Vorgesetzten und MittäterInnen weit weniger Aufmerksamkeit erhielten?
Diesen Fragen geht die Theaterautorin und Regisseurin Barbara Herold in ihrem Stück "Cover Girl - Wie Lynndie England dazu kam, die dunkle Seite Amerikas zu verkörpern" nach. Sie hat genau recherchiert und liefert eine präzise, fast dokumentarische Bestandsaufnahme ab. Maria Fliri stellt eine Lynndie England dar, die von dem erzählt, was ihr widerfahren ist. Was dabei herauskommt, ist ein Blick darauf, welche Mechanismen wirksam werden können, wenn hierarchische Systeme selbstverschuldet unter Zugzwang geraten sowie eine differenzierende Betrachtung der Fragen um Schuld und Sühne.
Dieses Stück, das am 12.2.2010 im Linzer Posthof zu sehen war, ist eine Empfehlung. Es ist seit 40 Aufführungen unterwegs und gastiert abwechselnd an unterschiedlichen Orten. Falls man es einmal nicht so weit hat, sollte man den Weg nicht scheuen.
Die nächste Radiosendung der Linzer Amnesty Gruppe 8 am 8.3.2010 um 19 Uhr im Freien Radio Oberösterreich wird sich übrigens dem Themenkreis widmen und auch ein Gespräch mit Barbara Herold enthalten.
Dienstag, 16. Februar 2010
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