Dienstag, 2. Februar 2010

Handball

Mit den Beziehungen zu verschiedenen Sportarten kann es sich wie mit jenen zu Menschen verhalten: Sie weisen unterschiedliche Stärken und Schwächen auf. Und sie verändern sich.

Da gibt es verlässliche Freunde, wie in meinem Fall etwa den Fußball. Der war schon immer da, man kennt sich in- und auswendig und kann sich fallen lassen, ganz man selbst sein. Er fordert einen nicht mehr besonders (außer in jenen Momenten, in denen man sich ganz bewusst und aus freien Stücken auf eine intellektuelle Analyse einlässt) und er vermittelt ein Gefühl von Geborgenheit, von Zuhausesein.

Dann gibt es Beziehungen, die einem steten Wandel unterliegen, zB mein Verhältnis zum Alpinen Skisport. In möglicherweise exakt kalkulierbaren Rhythmen pendele ich hier zwischen großer Faszination und völligem Desinteresse (derzeit ist das völlige Desinteresse am Zug). Und es gibt Freundschaften, die erkaltet sind, wie zB jene zur Formel-1. Wo mich einst jeden Sonntagnachmittag das monotone Orchester der Motoren mit Heinz Prüllers mantraartiger Begleitstimme sanft in den Schlaf wiegte, regieren heute allenfalls nostalgische Gefühle.

Natürlich gibt es auch die großen Leidenschaften, die einen zu fordern und aufzuregen vermögen (Eishockey und Rugby).

Schließlich gibt es auch ehemalige Freunde, die dermaßen gegen Moral und Anstand, gegen die Prinzipien der Freundschaft verstoßen haben, dass man mit Ihnen nichts mehr zu tun haben will (der Radsport, der Langlaufsport und - mit Abstrichen - die Leichtathletik).

Freilich kann es auch vorkommen, dass einem jemand immer als uninspirierter Langeweiler erscheinen wird, so sehr er sich auch anstrengen mag (Basketball).

Die Rolle des Handballs in diesen Beziehungsgeflechten war zu Anfang recht eigenwillig. Der Damen-Handball hatte bei mir in meinen jungen Jahren gute Karten, weil es sich um die einzige Teamsportart handelte, in der eine österreichische Frauschaft internationale Siege einfuhr. Ich war noch ganz vom Sportpatriotismus erfüllt und dementsprechend begeistert. Ganz nebenbei bekam ich aber auch schon mit, dass Handball ein Sport sein kann, der durch rasante Entwicklungen und turbulente Spielverläufe zu faszinieren vermag.

Der Männer-Handball hatte es da schwerer. Es fehlte ganz offensichtlich an internationalen Erfolgen. Außerdem war es eine jener Sportarten, mit der wir in unserer nach Moder und Schweiß riechenden Turnhalle gequält wurden. Das war ein Ort, an dem auch mittelalterliche Folterwerkzeuge wie Barren, Ringe, Stangen und die monströsen Medizinbälle zuhause waren. Auch das Spielgerät Handball erschien zu groß, war steinhart und die körperlich besser bemittelten, nicht sehschwachen Klassenkollegen (im Turnsaal musste man die Brille abnehmen) machten einen fertig. Nicht umsonst war der Handballsport auch die Domäne der athletischen Sportschüler, bei denen manche in den Pausen Anstalten machten, uns durch die Gegend zu schubsen. Unsere Handballer hatten reihenweise Schulmeisterschaften gewonnen und waren so etwas wie die Maskottchen der Schule. Ihre wesentliche Leistung bestand darin, Sportskanonen zu sein.

Aber trotz dieser problematischen Umstände hatte mich das Interesse für den Handballsport nie ganz losgelassen. Zu packend waren die Partien, zu beeindruckend die Dynamik, zu ästhetisch die durch die Lüfte segelnden Flügelstürmer, zu verwegen die Keeper, die sich den heranrasenden Kugeln in den Weg warfen, zu behände die Wendigkeit der Kreisläufer und zu gewaltig die schiere Wurfwucht der Rückraumspieler.

Bei der eben zu Ende gegangenen Handball-Europameisterschaft kam diese unterirdisch schlummernde Begeisterung wieder ans Tageslicht. Und mit ihr etwas, das ich für tot und begraben gehalten hatte: mein Sportpatriotismus - und das in einer Zeit, in der mir Österreich unheimlicher ist, denn je. Aber es war ganz einfach zu beeindruckend, wie unser Nationalteam, als klarer Außenseiter gestartet, große Handballnationen schlug oder an den Rande einer Niederlage brachte.

Dem konnten nicht einmal die aus diversen Dorfdiscos und Skihütten des Landes herbeigekarrten Hallen-DJs etwas anhaben, die das Lebensmachwerk des DJ Ötzi und seiner Geschwister im Ungeiste rauf und runter spielten. Es ist fast unglaublich, aber es gelang mir, diese Hintergrundgeräusche, die ich üblicherweise als pure Körperverletzung empfinden würde, während der Österreich-Spiele komplett auszublenden. Erst gegen Ende des Turniers, als die Refrains der singenden Gletscherleiche zunehmend in meinen Gehörgängen festeisten, stellten sich gewisse Übelkeitserscheiungen ein. Einen Tag länger hätte ich das Turnier daher nicht ausgehalten.

Ist Handball deshalb doch irgendwie ungut? Nein, Handball ist zweifellos schön. Und das verdanken wir übrigens auch einem von meinen ehemaligen Handball spielenden Schulkollegen, der jetzt als Flügelstürmer der österreichischen Nationalmannschaft einen nicht unwesentlichen Part darin hat. Aber der gehörte nach meiner Erinnerung auch keineswegs zu den erwähnten Pausenschubsern.



2 Kommentare:

Christine hat gesagt…

"Maskottchen der Schule"; "Pausenschubser *g* herrlich :-)... interessant die andere Sichtweise zu lesen.

Wir Mädls fanden die trotzdem: HOT HOT HOT ;-)

Ein Winzer hat gesagt…

Stimmt, den Anklagepunkt hab ich ja noch gar nicht berücksichtigt... ;)

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