2009 im Kino, Platz 14-10
14 David Yates: "Harry Potter And The Half-Blood Prince" 3
Ich habe in meinem Leben geschätzte dreieinhalb Seiten Harry Potter gelesen. Und, ich muss zugeben, das hätte dazumals schon beinahe gereicht, um mich in diese Welt hinein zu saugen.Vielleicht war es mein fest verankerter Charakterzug, Dingen, die fast jede(r) für gut befindet, mit (zumindest anfänglicher) Skepsis zu begegnen, vielleicht auch eher der Umstand, dass ich als notorischer Bücherstapler genug Lesevorhaben angesammelt hatte - jedenfalls habe ich Rowlings Werk nach besagten dreineinhalb Seiten dann doch wieder geschlossen und weggelegt. Anders ist das bei den Potter-Filmen, hier bin ich einigermaßen auf dem Laufenden. "Harry Potter And The Half Blood Prince" ist sicher nicht der beste Vertreter dieser Art, freilich auch ohne grobe AMakel. Ein angenehm vorbeiziehendes Stück Kino der ordentlich- durchschnittlichen Kategorie. Ein bisschen wirkt es so, als wäre bei dem ganzen Potter-Stoff Material übriggeblieben und daraus zwischendurch mal schnell ein solider Film gemacht worden - als notwendige Überleitung zum bevorstehenden (2teiligen) großen Finale.
13 Michael Mann: "Public Enemies" 3
Wie macht man einen stilistisch perfekten Film, der den Zuschauer dennoch sonderbar kalt lässt? "Public Enemies" kann als Paradefall dafür gelten. Zweifellos liegt hier handwerklich große Kunst vor, aber dafür wirken die handelnden Figuren sonderbar blass, kalt und irrelevant. Man beobachtet Banküberfälle und Schießereien der berühmt-berüchtigten Dillinger-Bande, die genau getimed und hervorragend inszeniert sind, ist von der filmischen Ästhetik durchaus angetan, bleibt aber gleichzeitig gefühlsmäßig seltsam gleichgültig. Wer erhofft hat, etwas über die Handlungsmotive der (historischen) Protagonisten zu erfahren, über die inneren Kräfte, die sie umtreiben, der wird hier nicht zufrieden gestellt. Dabei kann nicht der Respekt des Regisseurs vor der Unschärfe eines historischen Befundes als Rechtfertigung herhalten, wird doch die brutale, Massen mordende Natur des geschichtlichen John Dillinger durch den übercool agierenden Johnny Depp kaum adäquat abgebildet. Was bei "Public Enemies" bleibt, ist eine virtuose Fingerübung ohne echte Leidenschaft, weit entfernt etwa von der mitreissenden Dynamik früherer Mann-Streifen wie zB "Collateral".
12 Stephan Komandarev: "Die Welt ist groß und Rettung lauert überall" 3
Der Europäische Film ist 2009 bei meinen Kinobesuchen etwas zu kurz gekommen. Nach dem hier genannten Streifen wird uns in meinem Ranking nur mehr "Antichrist" von Lars von Trier, das "Weiße Band" sowie der britische Sensationserfolg "Slumdog Millionaire" begegnen. "Die Welt ist groß und Rettung lauert überall" ist die Verfilmung des Debütromanes des literarischen Weltenbummlers Ilija Trojanow durch den bulgarischen Regisseur Stephan Komandarev. Roman wie Film handeln von einem jungen Mann namens Alexandar, der immer wieder mit dramatischen Einschnitten in seinem Leben konfrontiert ist und versuchen muss, dieses wieder ins Lot zu bringen, wobei ihm sein Großvater, gespielt vom hervorragenden Miki Manojlovic, hilfreich zur Seite steht. Im Falle von Enkel und Großvater haben sich zwei gefunden, ebenso im Falle von Trojanow und Komandarew. Der Regisseur setzt die Romanvorlage feinfühlig und weitestgehend schlüssig um, es holpert weniger als in vielen anderen Literaturverflimungen. Zuweilen gleitet die Erzählung etwas sehr ins schelmenhaft-naive und lässt dabei gewisse Längen zu - sowie Tiefgang vermissen. Am Ende steht die leichtfüssige Botschaft: das Leben ist ein Spiel, man muss nur die Würfel immer wieder aufs Neue werfen.
11 Lars von Trier: "Antichrist" 3
Lars von Trier ist ja - spätestens seit "Dogville"- so etwas wie mein großes cinematographisches Idol. In seinen starken Momenten schafft er es wie kein zweiter, mich in den Bann des Geschehens im Film ziehen, mich gleichsam durch ein Tor in eine andere Welt zu befördern. Ich kann es ihm daher auch leicht verzeihen, wenn er einmal einen Film macht, der seinem Talent nicht gerecht wird. Von Trier selbst hat ja einmal gesagt, dass er "Antichrist" aus rein selbsttherapeutischen Gründen gemacht hat und ihm die Reaktionen der Welt auf dieses Werk schnurz sind. Wenn dem so ist, dann muss dem Meister zuvor Schlimmes im Zusammenhang mit Frauen widerfahren sein, wird doch hier die Kraft der weiblichen Sexualität zum Ausgangspunkt jeglichen Verderbens stilisiert. Das weibliche Prinzip erscheint in "Antichrist" als die dunkle, animalische, Unheil bringende Urkraft der Natur, die der Kultur und der kühlen Verstandeslogik zu Leibe rückt. Den Film als frauenfeindlich zu bezeichnen, wäre dann aber auch wieder überzogen, mangelt es doch nicht an ironischen Brechnungen und Momenten, die auf erschreckende Weise komisch sind. Sehr subtil ist Lars von Trier dabei jedenfalls nicht vorgegangen. Der als spukhafter Psychothriller angelegte Film offeriert letztlich eine eher enttäuschende, wenig originelle Auflösung mit dem beschriebenem Grundtenor. Wenig Wünsche offen bleiben allerdings in filmisch-künstlerischer Hinsicht. Hier zeigt sich, dass Lars von Trier in
einem kleinen Finger mehr Raffinesse besitzt als viele andere bekannte Regisseure in ihrem ganzen Schaffen je zusammen bringen werden - auch, wenn die eingangs erwähnte hypnotische Qualität seines Schaffens in "Antichrist" mangels tauglichem Plot nie wirklich durchzubrechen vermag.
10 Stephen Daldry: "The Reader" 3.5
Eine Straße im Deutschland der Nachkriegszeit. Ein 15-Jähriger übergibt sich vor einem Hauseingang. Eine Frau in mittleren Jahren beseitigt die Sauerei und weist den Jugendlichen zurecht. In Deutschland ist man mit mit Aufräumen und Zusammenkehren beschäftigt. Manches kann man unter den Teppich kehren, manches nicht. In weiteren Verlauf des Filmes wird die Frau vor Gericht stehen - wegen Kriegsverbrechen, die sie als Lageraufseherin in einem Konzentrationslager begangen haben soll. Der junge Mann wird dann als Rechtsstudent Zeuge des Prozesses werden. Er wird sich zurück erinnern an jene Zeit, als er der Liebhaber der nunmehrigen Angeklagten war und sich Fragen zu Moral und Gerechtigkeit stellen, angeleitet von seinem Professor, gespielt von Bruno Ganz. In der im Großen und Ganzen gut gelungenen filmischen Adaption des Erfolgsromanes "Der Vorleser" von Bernhard Schlink beeindruckt vor allem das Schauspieler-Ensemble. Von Bruno Ganz konnte man eine tolle Vorstellung erwarten (und bekommt sie auch), die Entdeckung des Films ist aber David Kross, der den jungen Hauptprotagonisten mimt und mit großen, kindlichen Augen in die Liebe und die Widersprüche des Lebens rennt. Auch die Hollywood-Stars Kate Winslet und Ralph Fiennes füllen ihre Rollen gut aus. Gewisse Längen im Drehbuch werden durch die Darsteller recht gut gemeistert, ebenso die gelegentlich auftretende Neigung des Filmes zu allzu viel Pathos nach Hollywood-Art.
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