Es ist zweifellos ein Wagnis, einen Facebook-Account für ein im Holocaust ermordetes Kind zu erstellen. Dennoch ist das gut geworden. Ein historisches Projekt, das aus düsteren Archiven und nüchternen Museumshallen dorthin findet, wo sich das Leben der meisten jungen Leute heute abspielt. Das ist berührend und wichtig.
Kritik gibt es auch. Die Leiterin des Medienabteilung des Jüdischen Museums Berlin empfindet das Projekt als problematisch, weil als Trivialisierung der dokumentierten Geschehnisse. Dabei übersieht sie, dass Facebook, wie jedes andere Medium auch, selbstverständlich in der Lage ist, auch Wert- und Gehaltvolles zu transportieren (wir versuchen das derzeit auch), unabhängig davon, wieviel selbstgefälligen Quatsch man dort auch vorfinden mag. Wahrscheinlich spricht hier aber auch ein gewisses Unbehagen, dass neue Formen das eigene Medium herausfordern und mit vergleichsweise geringem Aufwand viel Resonanz ernten können. Da erinnert diese Reaktion ein bisschen an das Granteln mancher Zeitungsmacher ob der als trivial und unprofessionell empfundenen Konkurrenz des Internet.
Den sprichwörtlichen Vogel schießt aber ein Professor der Lubliner Universität ab, der es als anmaßend ansieht, wenn einer toten Person (historisch gewissenhaft konstruierte) Äußerungen unterschoben werden. Hoffentlich geht der gute Mann nie in eine Bibliothek oder ins Kino.
Derartige Äußerungen sind wohl am ehesten als Reaktion darauf zu verstehen, dass da jemand mit einem neuen Ansatz in die eigene Domäne eindringt und sich dabei einer Technologie bedient, mit der man sich noch nicht so richtig auseinander gesetzt hat. Solche Reaktionen zeigen aber auch, dass es da jemandem (dem polnischen Geschichtsstudenten Piotr Brozek) offensichtlich gelungen sein dürfte, einer Gedächtniskultur einen neuen Impuls zu geben.
Montag, 15. März 2010
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