Nachdem ich in den letzten Tagen die Entwicklungen und Diskussionen rund um den Akademikerball verfolgt und einmal nüchtern durchgerechnet habe, dämmert mir etwas, das mir so noch nicht bewusst war (weil ich noch nicht so weit darüber nach gedacht habe) und das mir Unbehagen bereitet.
Und zwar: Der Konflikt um den so genannten "Akademikerball" in der Hofburg, in der sich die schlagenden Burschenschaften zum Tanzen und Sozialisieren treffen, ist für die Linke auf dem Weg, den sie beschreitet, dem der Großkundgebungen, nicht gewinnbar.
Um das zu verstehen, musste man sich nur die sardonisch blitzenden Augen von Andreas Mölzer im gestrigen ORF-Politiktalk anschauen, wie er die zu unsicheren Phrasen geronnenen Argumente seiner, durch eine Handvoll Vandalenakte begehende Radaubrüder in die Enge getriebenen, Widersacher genüsslich filetierte.
Es ist Geschenk für die FPÖ und es kommt vor den Europawahlen (Spitzenkandidat: Andreas Mölzer) wie gelegen. Die Bilder aus der realen Welt passen ihr besser ins Konzept als Kickl es sich jemals herbeifabulieren könnte: Da die Burschenschafter, die im Glanz der Hofburg ihrem, oberflächlich betrachtet, ehrenhaften Treiben aus Tanz und Geselligkeit nachgehen. Auf einer angemeldeten, legalen Veranstaltung, wie Mölzer nicht müde wurde zu betonen - und der Polizeipräsident sekundierte.
Auf der anderen Seite die Vermummten, die auf Schaufensterscheiben los gehen und linke DemonstrantInnen, die Plakate hochhalten, auf denen der eigene Hass zelebriert wird, ein harter Kern selbst ernannter "Antifaschisten", die den Eindruck erwecken, als würden sie am liebsten den Ballbesuchern an den Kragen gehen, wenn sie nur wieder nahe genug ran kämen (zufriedenes Grinsen des Polizeipräsidenten - ja, unsere Strategie war richtig..). Sicher, da sind Tausende, die friedlich demonstrieren, aber die Schlagzeilen der Auflage starken Medien dominieren am nächsten Tag jene, die den Durchschnittsleser an griechische Zustände gemahnen .
Man sieht es förmlich vor sich, wie sich in nüchtern kalkulierenden freiheitlichen Parteistrategen innere Burschenschaftstage abspielen, wie die Maßkrüge aneinander krachen und ein ums andre Mal die Burschenherrlichkeit besungen wird, wenn sie sich vorstellen, dass sich die Vorfälle von 2014 womöglich wiederholen könnten. Sie, die Anständigen, dort der linksradikale Mob, der die Stadt in Anarchie stürzen möchte. Und ihre schärfsten und bestinformierten politischen Kritiker, die Grünen, die die Publikationen des DÖW lesen und wissen, was es unter der Oberfläche der schlagenden Verbindungen geschlagen hat? Kompromittiert von der eigenen Verstrickung in DemonstrantInnenzirkel, bloß gestellt von der eigenen, ungestümen Jugend. Ein blau-nationaler Traum.
Und das Dilemma ist: Natürlich ist es richtig, ist es ehrenwert, die Inanspruchnahme der Hofburg durch die Burschenschaften bedenklich zu finden, zumal einige Verbindungen offenkundig immer wieder - vorsichtig ausgedrückt - zu wenig Berührungsängste zum rechten Rand gezeigt haben. Natürlich ist es moralisch lobenswert, wenn Menschen in Österreich gegen rechte Politik friedlich demonstrieren. Vom selbstverständlichen Recht auf friedliches Versammeln gar nicht zu reden.
Nur ist eben auch so, dass weder die Polizei, noch die VeranstalterInnen der Kundgebungen verhindern können, dass Gewalt bereite Fanatiker auftauchen, Straßenzüge in Schutt in Asche legen und die Bilder für die Titelseiten liefern. Jene Bilder, die dann die mächtigste Wirkung auf eben jene österreichische Öffentlichkeit haben, die doch eigentlich über
rechte Umtriebe informiert, aufgerüttelt und aufgeklärt werden soll, wie in den Zielsetzungen der Aktionsbündnisse gerne betont wird.
Die Gefahr, dass sich 2014 wiederholt, ist also gegeben und wird in wirtschaftlichen Krisenzeiten, in denen die Zahl jener, die nichts mehr zu verlieren haben, wächst, nicht geringer werden.
Die Auseinandersetzung mit dem Burschenschafterball ist also - rein strategisch betrachtet - so nicht gewinnbar. Die Freiheitlichen werden womöglich eines Tages die Hofburg verlassen (müssen), aber auf eine repräsentative Veranstaltung ihrer akademischen Elite werden sie nicht verzichten. Womöglich wird es dann - wie von Mölzer bereits diesmal angekündigt - weitere Proklamationen geben, in denen sich Freiheitliche und Burschenschafter von Gewaltherrschaft
jeglicher Ideologie und von politischer Gewalt
von links wie von rechts feierlich distanzieren. Um sich damit erst wieder als die angeblich wahren Moderaten zu inszenieren.
Es stellt sich somit die Frage, ob Großaufmärsche mit kämpferischen Anti-Slogans wirklich der richtige Weg sind, um rechtes Gedankengut zurück zu drängen, das sich in Form einer Tanzveranstaltung äußert. Oder, ob sich eine zeitgemäße Protestbewegung nicht eher auf andere Wege verlegen sollte, um über burschenschafterliche Verstrickungen zu informieren, wachzurütteln und aufzuklären.