Sonntag, 23. November 2014

In Concert # 48: Elvis Costello, 26.10.2014, Posthof, Linz

Am 26. Oktober war Elvis Costello, den sie auch gerne den "unbekanntesten Superstar" nennen, erstmals im Linzer Posthof zu Gast. Ein älterer Herr britischer Herkunft mit Wohnsitz in New York und einem irgendwie verschmitzt-jugendlichen Ausdruck im Gesicht. Er erzählt uns an diesem Abend Geschichten. Zum Beispiel die Geschichte von der Erfindung des Rock´n´Roll: In Linz war das, das wissen die wenigsten. Leider hat es nicht so ganz verfangen und die magische Formel landete in einer Flaschenpost, die dann via Donau und Schwarzes Meer irgendwie in den Atlantik gelangt ist, von wo sie nach New Orleans gespült wurde. Aber auch aus seinem Leben berichtet Elvis Costello und auch da ist nicht immer ganz klar, was Wahrheit und was Schelmenerzählung ist.

Die meiste Zeit macht er aber dann doch Musik. Er hat gezählte sechs Gitarren mitgebracht, von der kleinen Folk-Schramme über verschiedene Westerngitarren, eine elektrische bis zu einem für mich undefinierbaren hölzernen Monstrum. Dafür hat er die Band komplett eingespart, er ist solo da.

Die erste Gitarre ist - wenn ich mich noch richtig erinnere - eine Dreadnought-Westerngitarre. Mit der arbeitet er sich, wenn er nicht gerade zwischendrin Geschichten drückt, engagiert und recht zügig durch die ersten Stücke. Der Sound ist fein, wie immer im Posthof. Diese Anfangsphase ist schon schön, wird aber dann doch fast etwas monoton. Im richtigen Moment haut der Künstler aber die dramaturgische Bremse hinein. Er plaudert amüsant über die Familiengeschichte, greift dann zur kleineren Gitarre, um intimere Stücke auf einem Schemel darzubringen (darunter "She", das viele kennen, weil es in einem Film mit Julia Roberts und Hugh Grant eingesetzt wurde).

Dann wieder ein instrumentaler Wechsel - und wir verlassen, den gediegenen Singer-Songwriter-Duktus. Es wird lauter, ja krachend, scheppernd. "Watching The Detectives", das Elvis Costello angeblich nach einer Nacht des Clash-Konsums geschrieben hat, (post-)punktet eindrucksvoll.

Der 60-jährige Declan Patrick MacManus (bürgerlich), der immer noch ein wenig wie Buddy Holly aussieht, wirkt im positiven Sinne aufgedreht - energiegeladen, aber auch alterssouverän. Sein Publikum ist vor allem letzteres. Im Gedränge vor dem Einlass hörte man Sager wie "Weißt du noch vor 15 Jahren, als wir das letztes Mal hier waren?". In den letzten Jahren war ich auf vielen popmusikalischen Konzerten, ein im Schnitt derart betagtes Publikum ist mir freilich noch nirgends begegnet. Dabei ist Elvis Costello nur wenige Jahre früher geboren als etwa Morrissey (mit dem ihn biographisch erstaunlich viel verbindet), seine Fans aber gehen locker als die Eltern der Morrissey-Konzertgänger durch.

Passend zur Generation seiner (sich im Posthof auch eher getragen betragenden) Zuhörer schließt er nach zweieinhalb Stunden - nach dem berechtigter Weise ebenfalls nicht zu vermeidenden "Shipbuilding" - mit seiner trotzig-bewegende Hymne "(What´s Wrong With) Peace, Love and Understanding?" Passt aber auch zur Weltlage und fährt folglich am Ende dieses Abends noch einmal so richtig hinein.

Der 26. Oktober liegt jetzt doch schon eine Weile zurück. Und dennoch ist da noch dieses intensive, zufriedene Gefühl, wenn ich an jenen Abend zurück denke. Dieses Elvis Costello-Gefühl, wonach ich etwas erlebt habe, das sich einerseits sehr vertraut anfühlt, andererseits aber doch noch seiner tieferen Entdeckung harrt. Etwas, das mich zwar nicht regelrecht angesprungen und umgeworfen, aber dennoch eine tiefen Eindruck des, ja, Legendären hinterlassen hat. Den "unbekanntesten Superstar" sollte einer noch näher kennen lernen.


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