Komödien, die vom Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen berichten, sind eine heikle Angelegenheit. Humor bedarf in der Regel des Stilmittels der Übertreibung, aber wenn Klischees allzu sehr bedient werden, droht die Verunglimpfung (siehe die amerikanische Unterhaltungsindustrie, mit ihren nach den Moden des politisch Korrekten - und Einflussreichen, wechselnden Opfergruppen). Andererseits darf es auch nicht so enden, dass eine kitschig-rosarote Blümchen-Multikultiwelt geschaffen wird, bei der sich kulturelle Unterschiede auf amüsante Oberflächlichkeiten reduzieren. Denn das nimmt dann zu Recht keiner ernst.
"Almanya - Willkommen in Deutschland" zeigt, wie es gehen kann. Die Deutsch-Türkin Yasemin Samdereli präsentiert uns die mit jeder Menge Humor erzählte Biographie einer anatolischen Einwandererfamilie mit all ihren Brüchen, Wandlungen und generations- und kulturbedingten Mutationen. Wie erleben den Kulturschock der Begegnung zwischen Anatolien und Deutschland- aus der Perspektive der türkischen Migranten. Yasemin Samdereli, die gemeinsam mit ihrer Schwester Nesrin auch das Drehbuch verfasst hat, arbeitet gekonnt mit den Mitteln des Perspektivwechsels. Die türkischen Neuankömmlinge sprechen Deutsch, die Deutschen einen fremdartigen Kauderwelsch, der wie Deutsch klingt, wenn man es nicht versteht.
Der Schock des Unbekannten weicht langsam, mit der Zeit. Die Protagonisten beginnen sich einzuleben, auch wenn sie ihre Herkunft natürlich nie ganz verleugnen können und wollen. Am Ende der Geschichte (und am Anfang der Filmes) steht die Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft an die erste Generation. Es ist eine Familie des türkischen Mittelstandes, die durch Fleiß zu relativem Wohlstand gelangt ist, die wir beobachten. Der Film zeigt keine am Rande der Gesellschaften lebenden türkischen Problemjugendlichen, keine finsteren Islamprediger oder schwer wiegende Konflikte mit Vertretern der "anderen" Kultur. Das sind allerdings keine unzulässigen, beschönigenden Auslassungen, sondern ist ein völlig legitimer Blick auf eine real existierende türkische Mittelschichts-Realität abseits simplifizierender Klischees
Problematische Aspekte der Herkunftskultur bleiben freilich nicht ausgespart. Patriarchale Verhaltensmuster, strenge Erziehungsmethoden oder die Korruption in der Türkei sind Themen, die unter anderem angeschnitten werden. Aber "Almanya" ist nicht in erster Linie ein gesellschaftskritischer Problemfilm. Es geht um in warmherziger Weise gezeichnete Menschen und ihre Nöte, Freuden sowie ihre Selbstbehauptung am Schnittpunkt zweier Kulturen. Yasemin Samdereli bewerkstelligt dies, indem sie sich ihren Charakteren zuwendet und einen befreienden, humanistischen Humor zur Geltung bringt. "Almanya - Willkommen in Deutschland" ist - nicht zuletzt - ein überaus komischer Film.
Meine Bewertung: 3.5 aus 5 Sternen
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