Woody Allen ist kein gewöhnlicher Filmregisseur, er ist eher eine eigene Industrie. Seit 1965 hat er nicht weniger als 45 Werke abgeliefert, das macht nahezu einen Film pro Jahr. Auch im fortgeschrittenen Alter zeigt er keinerlei Anzeichen, kürzer treten zu wollen. In den letzten Jahren hat der New Yorker eine Europatournee gestartet, war in London und Barcelona, dreht in Rom, plant angeblich für München. Dazwischen also Paris. Und die 1920er Jahre.
Schauen wir uns zuerst das Filmplakat an: Owen Wilson, wie er versonnen am Ufer der Seine entlang wandelt, über ihm ein Himmel von Van Gogh. Ein wirklich schönes Plakat, gerade so schön, dass es noch nicht kitschig ist. "Midnight in Paris" heißt der Film und es geht um einen Hollywood-Drehbuchautor (Wilson), der mit seiner Oberschicht-Verlobten Paris besucht und sich hier seinen Sehnsüchten stellen muss: der Sehnsucht, echte Literatur zu schreiben, der Sehnsucht nach kultiviertem Leben, nach Paris, nach einer anderen Zeit, die all dies zusammen führt.
Schlag Mitternacht wird aus der Träumerei Realität. Per Automobil landet unser Held im Paris der Zwanziger Jahre, begegnet Hemingway, F. Scott Fitzgerald, Picasso, Dali und Gertrude Stein. Ein interessanter Plot, zweifelsohne. Aber, vor lauter Ehrfurcht vor den auftretenden Genies scheint Woody Allen ein wenig vergessen zu haben, auf seine eigene Muse zu hören. Die Geschichte fließt phasenweise recht träge dahin, die Dialoge sind für Allensche Verhältnisse wenig inspiriert, echte Pointen bleiben rar gesät. Auf wirklich interessante Einfälle und geglückte Wendungen wartet man vergebens.
Was den Film rettet, sind vor allem seine Darsteller. Adrien Brody etwa ist ein herrlich abgedrehter Salvador Dali, Corey Stoll drischt als Ernest Hemingway gekonnt Phrasen der Männlichkeit und Kathy Bates ist eine gütig-herrschende Gertrude Stein. Auch Owen Wilson vermag mit seinem freundlich-naiv anmutenden Enthusiasmus Sympathien zu gewinnen. So entstehen einige schöne Momente, solide abgefilmt, mit tadellosen Geschmack ausgestattet und musikalisch stilsicher umhüllt.
Wäre dies das charmante Debütwerk eines hoffnungsvollen Jungregisseurs, dürfte man somit möglicherweise gnädig über die zuvor erwähnten Schwächen hinwegsehen. Woody Allen aber kann das - nicht jedes Jahr, aber oft genug - besser. Auf ein Neues also, 2012 in Rom.
Meine Bewertung: 3 aus 5 Sternen.
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