Sonntag, 18. Juli 2010

Wenn Kriminalisten träumen..

Tagtäglich schlagen sie zigfach zu, die Wegelagerer des Internet. Sie warten auf Opfer, die, verlockt von der Aussicht auf das allergünstigste Geschäft aller Zeiten, Vorkassa löhnen. Ist die klingende Münze aber erst einmal im Geldbeutel des Schurken verschwunden, will dieser von einer sofortigen Gegenleistung nichts mehr wissen. Zuerst heißt es, es gäbe Lieferschwierigkeiten. Manchmal sind es auch persönliche Gründe, die ihn angeblich an der Erfüllung seiner Verpflichtung hindern. Selbstverständlich wird aber beteuert, dass das nur ein vorübergehender Zustand sei: sobald möglich, werde der Vertragspartner zufrieden gestellt! Aus dem vorüber gehenden wird jedoch ein Dauerzustand. Nach einiger Zeit werden E-Mails nicht mehr beantwortet, der freundliche Geschäftspartner ist wie vom Erdboden verschluckt.

Verzweifelt wendet sich der derart Hintergangene an eine Beratungsstelle oder einen Rechtsanwalt. Dort wird man ihm in der Regel mitteilen, dass die Chancen, dass er sein Geld wieder erlangt, sehr schlecht stehen. Natürlich ist es möglich, zivilrechtlich vorzugehen und auf Rückerstattung des Betrages zu klagen, aber, ob der Täter greifbar ist und (noch) über ausreichend Vermögen verfügt, um zumindest die Verfahrenskosten zu decken, steht in den Sternen - insbesondere, wenn es, wie meist, mehrere Geschädigte geben sollte. Immerhin, so wird man ihm erklären, könne er ja Strafanzeige bei der Polizei erstatten. Diese hätte am ehesten die Möglichkeit, den Täter ausfindig zu machen und vielleicht werde man über einen Privatbeteiligtenanschluss im Strafprozess sogar noch entschädigt.

Auf diese Art und Weise landen jährlich tausende Anzeigen auf den Schreibtischen von überforderten Kriminalbeamten. Die Nachforschungen gestalten sich schwierig, die Täter sitzen oft im Ausland. Es ist verständlich, wenn Kriminalisten da mehr Befugnisse einfordern, um der Anzeigenflut rascher, effektiver Herr werden zu können. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) fordert jetzt eine Ausweispflicht im Internet. Jeder, der im Internet Geschäfte machen will, soll sich vorher bei einer staatlichen Stelle registrieren lassen müssen und sich bei jeder rechtsgeschäftlichen Aktivität im Netz ausweisen. In der Konsequenz würde das, wenn ich diesen Vorschlag richtig verstehe, bedeuten, dass ein alle Internet-Transaktionen umfassendes ID-System geschaffen werden müsste und folglich auch Datenbanken darüber entstehen, wer was wann von wem kauft, wer mit wem welche Geschäfte im Internet tätigt.

Denn bei der Registrierung im Vorfeld kann es wohl nicht bleiben, wenn man der Exekutive nach geschehener Tat raschen Zugriff auf den Täter ermöglichen will. Bei dieser Lesart des Vorschlages (es wären auch andere möglich - z.B., dass es allein darum gehen soll, dem Vertragspartner über eine Datenbabankabfrage bessere Informationen über den anderen zur Verfügung zu stellen) wäre ein Eingriff in die Privatsphäre gegeben, der die viel gescholtene (in Wahrheit aber heutzutage zur wirkungsvollen Bekämpfung der Kriminalität unverzichtbare) Vorratsdatenspeicherung wie einen Waisenknaben aussehen ließe. Denn während die Vorratsdatenspeicherung (zumindest in der zu fordernden menschenrechtskonformen Ausprägung) auf die Speicherung reiner Verbindungsdaten (also das "wer-mit-wem-und-wann") beschränkt ist, würde eine derartige Datenbank wohl zwangsläufig auch Inhaltliches festhalten (also das "was"). Umgelegt auf die Welt außerhalb des Internet würde das bedeuten, dass jede geschäftliche Transaktion, vom Zeitungskauf in der Trafik bis hin zum Besuch in der Bar einer Ausweispflicht unterliegt und in einer Datenbank festgehalten wird. Eine unerträgliche Vorstellung.

Ich kann also nur meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass ich den BDK hier grundlegend missverstehe.

Vor allem auch, weil ich gar nicht einsehen will, warum ich mich zukünftig ausweisen müssen soll, weil allzu viele Mitbürger ganz einfach noch nicht gelernt haben, mit dem Internet umzugehen. Wer so handelt, wie unser User in obigem Beispiel, handelt schlicht fahrlässig. Es gibt genug Möglichkeiten, Online-Geschäfte einigermaßen sicher abzuwickeln: Bestellungen nur bei Unternehmen vornehmen, die einem wirklich ein Begriff sind, Bezahlung über Treuhanddienste durchführen, per Nachnahme oder erst nach Lieferung bezahlen. Wer dies nicht beherzigt, handelt nicht viel anders als jemand, der auf der Linzer Landstraße einem Wildfremden 500 € in die Hand drückt und mit diesem vereinbart, dass man sich am nächsten Tag an selbem Ort und zur selben Zeit wieder trifft und dann die Gegenleistung übergeben wird.

Vielleicht sollte der BDK ganz einfach mehr Energie darin investieren, den Menschen zu vermitteln, dass sie lernen sollten, ihren Hausverstand beim Einloggen ins Internet nicht an der virtuellen Garderobe abzugeben.

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  Danke an Alex P.!