Montag, 16. April 2012

Ohren(ge)fälliges: Monatsmeister des Monats März 2012

Tom Petty - Yer So Bad
Gainesville, Florida
         Gewonnene Ränge: + 12

Mit Tom Petty tun sich Gralshüter einer intellekualisierten Geschichte der Popularmusik zuweilen etwas schwer. Auf der einen Seite ist der Musiker aus Florida zweifellos ein wesentlicher Bestandteil derselbigen, taucht er doch an all ihren Ecken und Enden immer wieder in persona auf. Im Alter von 10 Jahren besucht er Elvis am Filmset, an der High School bekommt er von einem gewissen Don Felder Gitarrespielen beigebracht, der später Leadgitarrist der Eagles sein und "Hotel California" schreiben wird. Im Laufe seiner weiteren musikalischen Karriere freundet er sich mit Leuten wir Stevie Nicks, Bob Dylan, Johnny Cash und George Harrison an und steht mit ihnen auf der Bühne. Mit Dylan, Harrison, Roy Orbison und Jeff Lynne bildet Tom Petty Ende der Achtziger die wohl prominentest besetzte Supergroup, die die Welt bislang gesehen hat: die Traveling Wilburys. Nicht zu vergessen: mit seiner Band, den Heartbreakers, folgt er seinem damaligen Produzenten Rick Rubin ins Studio und nimmt mit Johnny Cash "Unchained" auf, das erste erste relevante Album der legendären "American Recordings"-Serie.

Andererseits ist er auch individuell erfolgreich und zwar in einer Weise, die strenge Elitäristen misstrauisch werden lässt. Über dreißig Millionen Platten hat er verkauft und zwar mit meist eingängigen, in höchstem Maße radiotauglichen Stücken. Songs, die in den USA jeder Burgerverkäufer mitsingen kann, die Petty bis in die Halbzeitpause des Super Bowl geführt haben. Infolgedessen trifft man bei der Suche nach Tom Petty-Videos auf YouTube auch jene reaktionären Gestalten im Übermaß, die uns erklären, dass das "noch die wahre, amerikanische Musik" sei, um im nächsten Satz die "Rapmusik" zu verdammen.

Freilich hat Tom Petty immer ein eher bodenständiges Image gepflegt: er war nie Kunstfigur wie Dylan, kein dezidierter homo politicus wie Springsteen, obgleich er auf einer großen Zahl von Benefizkonzerten (ua gegen Nuklearenergie) aufgetreten ist. Seinen Wurzeln im Südstaatenrock ist er immer auch treu geblieben, hat diesen aber mit allen möglichen Spielarten der Blues-, Folk-, Country-, Rock-, und Popmusik angereichert und etwas geschaffen, das man heute am ehesten als "klassischen Rock" bezeichnen würde. Dabei ist er zwischenzeitlich in vielen Schubladen gelandet: nicht nur als Southern Rock, auch als Punk oder New Wave wurde seine Musik schon gehandelt.

Sein im Vergleich zu anderen Dauerbrennern der Rockgeschichte vergleichsweise wenig ausgeprägter Hang zur Selbstinszenierung, sein Gespür für ausgesprochen Radio taugliche Musik und seine Neigung, eher verschiedene Musikgenres raffiniert zu rezipieren anstatt komplettes Neuland zu erschließen, haben womöglich dazu geführt, dass Tom Petty in der Musikgeschichtsschreibung nie denselben Status erreicht hat wie seine oben genannten Weggefährten, er eher als wichtige Nebenfigur dieser Historie erscheint. Das bedeutet aber auch, dass man sich seinem Werk (sei es jetzt solo oder mit den Heartbreakers) recht unvoreingenommen nähern kann, wenn man sich ein wenig darauf einlässt. Tom Pettys Solodebüt "Full Moon Fever" (1989), ein riesiger kommerzieller Erfolg, kann als Einstieg empfohlen werden. Ein intelligentes Werk, zugleich ganz zugänglich, mit Hits wie "Free Fallin", "I Won´t Back Down" oder
"Runnin´ Down a Dream". Auf diesem auch zu finden: "Yer So Bad", eine souveräne, satirisch-funkelnde Rootsrock-Nummer.

Tom Petty - Yer So Bad (auf YouTube)

3 Kommentare:

Hannes hat gesagt…

"Unchained" war die zweite Folge, "American Recordings" die erste.
Ansonsten volle Zustimmung. Tom Petty ist tendenziell ein Guter.

Ein Winzer hat gesagt…

Du hast recht. Das kommt davon, wenn man keine Zeit mehr zum Korrekturlesen hat.

Ein Winzer hat gesagt…

PS: Und Danke. Zum Glück hab ich einen popgeschichtlich kompetenten Korrekturleser.

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