Freitag, 14. März 2014

Ohren(ge)fälliges: Monatsmeister des Monats Februar 2014

Kylesa - Steady Breakdown
Savannah, Georgia
Gewonnene Ränge: + 7

s. Monatsmeister des Monats Jänner 2014.


Speedy Ortiz - No Below
Northampton, Massachusetts
Gewonnene Ränge: + 3


In den Neunziger Jahren war ich ein Teenager. Einer, der sich sozial nicht gerade wahnsinnig gewandt fühlte und sich schwer tat, in gesellschaftliche Gefüge und speziell in Gruppen einzupassen und sich darin wohl zu fühlen. Es gab dabei keine wirklich auffällige Rebellion, kein ostentatives Widerstreben, eher ein stilles und ein Wundern, wie denn das alles funktionieren soll. Ein Fremdeln mit der Welt. Psychologen werden jetzt sagen, dass das ohnehin normal ist. Aber manch einer geht dann doch noch etwas weiter auf Distanz als andere. Und als notwendig.

In meinem Fall brauchte es den Schock eines regelrechten soziales Vakuums und die glücklicherweise eintretende Entwicklung von ernsthafter Selbst-Reflexion, um mich von diesem Zustand langsam lösen zu können. Und doch war es nur ein Anfang, dem noch viele Schritte folgen mussten (und müssen).

Insofern kann ich mich mit der Grundhaltung, die hinter "No Below" von Speedy Ortiz zu stecken scheint, nicht hundertprozentig identifizieren. Immerhin geht hier offensichtlich darum, dass jemand, der in der Adoleszenz einfach nicht hineingepasst hat, nun auf eine andere Person trifft, auf die das genauso zutrifft. Und, peng, man versteht sich und hat sich gefunden. Und alles nur, weil man früher - getrennt voneinander - gelitten hat.

Nun ist es soziologisch-statistisch sicher nahe liegend, dass, wenn man seine Interessen, insbesondere auch akademischer Art, verfolgt und verfeinert, man verstärkt auf Menschen trifft, die eine ähnliche sozio-psychologische Historie haben und mit denen einen folglich mehr verbindet, als mit recht zufälligen personellen Kombinationen in Schule, Nachbarschaft oder gar Viertel.

Aber unabhängig von solch nüchternen Fakten ist hinter dem Text von "No Below" eine gewisse Tendenz versteckt, die mich eher an das erinnert, was es für mich zu überwinden galt. Was macht uns denn zu reifen und zufriedenen Menschen? Doch eher, dass wir durch Reflexion, Erfahrung, Analyse unser bisheriges Verhalten in einem anderen Licht zu sehen beginnen und uns verändern. Und nicht dadurch, dass wir gemeinsam zurück blicken und den Kopf schütteln, wie frustrierend das alles war.

Aber natürlich ist "No Below" ganz subjektive Lyrik einer jungen Songwriterin, die vielen Interpretationen offen steht. Eine Situation wird beschrieben, ein Zusammentreffen, Gefühle und das Nachsinnen darüber, wo das alles angefangen hat. Und so mag das, was die handelnden Personen zusammen geführt hat, womöglich gar nicht so sehr das parallele Erduldethaben der Jugend sein, vielleicht sind es ja auch einfach die nicht expressis verbis erwähnten Tugenden und Vorlieben, die daraus entstanden sind.

Das kann zB auch Musik sein und die fügt sich hier exzellent zum Text. Der melancholische, weiche Melodiebogen, in den sich verzerrte Gitarrenklänge passsicher einfügen. Der langsame, erzählende Tonfall von Sängerin Sadie Dupuis.

Und dann sind da in "No Below" diese starken Reminiszenzen an den Indie Rock der Neunziger Jahre, die Speedy Ortiz generell nicht verhehlen können respektive wollen. Die tragen im Einklang mit der erzählerischen Ebene dazu bei, dass sich ehemalige Kinder jener Ära in den dreidreiviertel Minuten des Songs besonders zuhause fühlen können.


Speedy Ortiz - "No Below" (freier Download via Stereogum)


  

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