Samstag, 20. Dezember 2014

Im Kino # 30: Terry Gilliam - The Zero Theorem

UK/ROM/F/USA 2013

Wenn ich mir Terry Gilliams Haus vorstelle, dann sehe ich eine etwas windschiefe Bude vor mir. Sie ist vollgeräumt mit allem möglichen, fantastischen, abwegigen Kram. Auch einigermaßen messiartig, das Ganze.

So jemand sollte eigentlich hervorragend geeignet sein, den Geisteszustand eines Gegenwartsmenschen filmisch darzustellen, dessen Verstand permanent am globalen Informationstropf hängt und folglich mit einer wilden Masse von meist widersprüchlichen Informationen geflutet wird. Und insbesondere auch, diesen Status in einer fantasievollen Weise fortzuschreiben und in die Zukunft zu versetzen.

"The Zero Theorem" spielt in einer nicht zu fernen Zukunft. Qohen Leth (ein Wortspiel, das sich aus dem biblischen Buch Kohelet ableitet), dargestellt von Christoph Waltz, ist eine traurige, blasse Erscheinung mit kahl rasiertem Kopf und rasierten Augenbrauen. Als überragendes Computergenie, das er ist, arbeitet er für eines dieser Unternehmen, die im Herz aller digitalen Netze sitzen und daraus ihre Profite saugen. Er lebt in dem Glauben, er habe vor Jahren einen Anruf erhalten, der ihm die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens verheißen hat, woraufhin er aber irrtümlich aufgelegt hat. Das, und nur das, treibt ihn noch an, gibt seinem Leben Ziel und Richtung. Wann immer jemand etwas von ihm möchte, lautet seine Gegenfrage zunächst: "Können Sie dafür sorgen, dass ich meinen Anruf bekomme?"

Qohen Leth hat dabei aber ein weiteres Problem. Der Anruf erreichte ihn zuhause und ebenda erwartet er auch dessen Wiederkehr. Also muss die Arbeitstätigkeit in die eigenen vier Wände verlegt werden, weswegen der kontaktscheue und ängstliche Mann all seinen Mut zusammen nehmen, eine Party besuchen und den obersten Boss "Management" (ausgerechnet Matt Damon) davon überzeugen muss. Dem Wunsch wird stattgegeben, doch es hat seinen Preis. Quohen Leth soll sich fortan der Erforschung des "Zero Theorem" widmen, der Weltformel, die alles, was da ist, ausdrückt.

In seinem Zuhause, einer nach einem Brand verlassenen Klosterkirche rumänisch-orthodoxen Stils (Terry Gilliam hat den Film in Bukarest gedreht), sucht er nun zurückgezogen, aber stets vernetzt, angeleitet und überwacht durch seinen Arbeitgeber, nach dem Sinn im dem alles erfassenden Datenmeer.

Hier ist Terry Gilliams Film am eindrucksvollsten: Leth-Waltz, wie er durch das ruinöse Erbe einer vergangenen Epoche taumelt, durch seine mit allerhand Gerümpel und Versatzstücken voll geräumte Wohnstätte (genialisch-messihaft, wie im imaginierten Gilliam-Zuhause), von einer Stimme aus seinem Rechner zu Arbeit und Pause angetrieben. Wie er arbeitet: dreidimensionale Blöcke schiebt er in Computerspiel-artiger Manie(r) ineinander, um die große Formel aufzutürmen. Schon am Firmensitz war die Schufterei wie ein Spiel aufgemacht, ein Tretmühlen-artiger Spielautomat der Arbeitsplatz. Gamification, der ultimative Traum der Ausbeuter, der Traum vom spielerisch-werkenden Sklaven.

Nur, Qohen Leth ist nicht glücklich. Die Psychiater-Software (Tilda Swinton) hilft da auch nicht wirklich. So müssen auch sein unmittelbarer Vorgesetzter Joby (David Thewlis), die virtuelle Freudenspenderin Bainsley (Melanie Thierry) und nicht zuletzt Managements eigener (und mit messianischen Anklängen versehener) Sohn Ben (Lucas Hedges) anrücken, um ihm (tatsächlich oder vorgeblich) unter die Arme zu greifen. Was ihm die beiden letzteren offenbaren, wird die Perspektive des Protagonisten allerdings dramatisch verändern.

"The Zero Theorem" ist visuell gelungen, opulent und vielfärbig, sicherlich auch komplex und philosophisch, wenn man sich in seine Feinheiten vertieft. Er kann auf einer individuell-psychologischen Ebene gelesen werden, aber auch auf einer gesellschaftlichen wie auf einer metaphysischen. Er beinhaltet zudem interessante Bezüge zu unserer Zeit und dazu, was daraus werden kann. Trotzdem: auch wenn niemand ernsthaft erwarten kann, von einem Film wirklich den Sinn hinter dem ganzen Universum erklärt zu bekommen, so hinterlässt "The Zero Theorem" doch am Ende ein schales Gefühl. Das Gefühl nämlich, dass hier nichts erzählt wurde, was nicht irgendwie erwartbar war: Sci-Fi mit einer die eigene Existenz hinterfragenden Grundthematik und einer ganz am Schluss recht banalen Moral, einer wenig berauschenden Pointe, die noch von etwas Ideologiekritik übermäntelt wird. Bei all der Opulenz, all der Überhobenheit dann doch eine etwas dünne Geschichte.

Vielleicht hätte Christoph Waltz das vergessen machen können. Das gelingt ihm aber nicht, kommt er doch aus der kalten Larve des Qohen Leth, in die ihn Terry Gilliam gepresst hat, trotz engagierter Ausbruchsversuche nicht ganz heraus. In den Szenen mit Lucas Hedges als Bob ist es dann sogar letzterer, der die Bühne ganz klar beherrscht.

Das ist für mich dann auch das Dilemma bei "Zero Theorem": Vielleicht würde man ja doch noch mehr an Erkenntnissen aus ihm ziehen, würde man ihn nochmals ansehen. Dafür ist er aber einfach schon beim ersten Mal nicht interessant genug.

Meine Wertung: 3 aus 5 Sternen

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