03 (geteilt) Milt Jackson & John Coltrane - Bags & Trane
2012 (Original 1961), Not Now Music
Ich habe mich früher mit Jazz eher schwer getan. Es gab so viel andere
interessante Musik und ich hatte nicht die Muße, da hinein zu finden.
Ich habe es dann einmal mit "Kind Of Blue" probiert (was sonst), aber ich muss
sagen, das Album hat mich bis heute nicht erreicht.
"Bags
& Trane" hingegen war schon 2018 mein "bestgehörtes" Album
(übrigens vor Torres mit "TORRES", dem Stockholm Chamber Orchester unter
Welser-Möst mit Mozart-Divertimenti und Bob Dylans Dreifach-Album
"Triplicate"..). Und 2019 geht sich nochmals der dritte Platz aus.
"Bags", das ist der hervorragende Vibraphonist Milt Jackson."Trane"
ist, naja, Coltrane eben. Auch der Rest der Combo kann sich sehen und
vor allem hören lassen: Paul Chambers - Bass,
Connie Kay - Drums,
Hank Jones - Piano. Das Ergebnis der Kollaboration ist ein von der ersten bis zur letzten Nummer beglückendes Erlebnis. Znächst staunt man einfach nur über die berückende Virtuosität des Dargebotenen, über die schiere Brillanz der Instrumentalisten. Doch, wie scheinbar mühelos aus dem nahezu perfekten Spiel etwas entsteht, das so leichtfüßig daher kommt, so eloquent und unverkrampft ist, so einen unwiderstehlichen Drive entwickelt, das ist das zweite Wunder.
Wie hier die einzelnen Stimmen, allen voran das silbrigen Schimmer verbreitende Vibraphon auf der einen, das wie polierte Bronze leuchtende Tenorsaxofon auf der anderen Seite, miteinander in Dialog treten, wie sie einander antworten, sich spiegeln, einander kommentieren, das atmet den Geist eines freundschaftlich-witzigen, geistreichen Gesprächs, in dem der eine die Pointen des andere aufnimmt und um seine eigenen Akzente ergänzt. Und, jede Pointe, jeder Akzent wirkt spontan gesetzt und sitzt doch exakt am richtigen Platz.
Es passiert mir immer seltener, dass ich ein Album für mich ganz persönlich zu einem "Klassiker" ernennen kann. Eine Platte also, von der ich weiß, dass ich immer wieder zu ihr zurück kehren, dass ich sie immer wieder hören will. Warum das so ist, kann ich hier jetzt nicht aufdröseln, nicht lösen, es ist aber auch nicht wesentlich. Denn "Bags & Trane" ist gerade eben so ein persönlicher Klassiker geworden.
Tracklist meiner Version des Albums:
1 Bags & Trane
2 Three Little Words
3 The Night We Called It A Day
4 Be-Bop
5 The Late Late Blues
Dienstag, 31. Dezember 2019
Sonntag, 29. Dezember 2019
Rückblog 2019: Meine bestgehörten Alben des Jahres, Platz 5 (geteilt)
05 (geteilt mit Mahalia) Rafael Puyana - Pièces de clavecin (Couperin Le Grand)
Philips Classics Productions, 1989
Manchmal enthüllt ein genauerer Blick auf den "Beipackzettel" einer CD/ LP (gibt es eigentlich irgendeine deutsche Entsprechung für die englischsprachigen "liner notes"?) einen historischen Kontext einer Aufnahme, der ihr ein eigenes Flair verschafft.
Der kolumbianische Cembalo-Meister Rafael Puyana spielt hier. Unter seinen Händen erklingen diverse "Pièces de clavecin" des französischen Barockkomponisten François Couperin, genannt "Couperin Le Grand". Puyana tut dies in den ehrwürdigen Hallen des Pariser Konservatoriums, genauer gesagt in dessen Instrumentenmuseum. Und es ist Sommer 1968, genauer gesagt Juli 1968. Man kann sich vorstellen, dass die Aufnahmen vielleicht mehrfach verschoben werden mussten. Denn noch wenige Wochen vorher war Paris, war Frankreich im Aufruhr. Im "Pariser Mai" wurden Barrikaden errichtet, Universitäten und andere Gebäude besetzt und traten hunderttausende, ja letztlich Millionen Menschen in den Streik. Die Protestbewegung richtete sich gegen die als verknöchert empfundene Langzeit-Herrschaft des konservativen Präsidenten De Gaulle.
Philips Classics Productions, 1989
Manchmal enthüllt ein genauerer Blick auf den "Beipackzettel" einer CD/ LP (gibt es eigentlich irgendeine deutsche Entsprechung für die englischsprachigen "liner notes"?) einen historischen Kontext einer Aufnahme, der ihr ein eigenes Flair verschafft.
Der kolumbianische Cembalo-Meister Rafael Puyana spielt hier. Unter seinen Händen erklingen diverse "Pièces de clavecin" des französischen Barockkomponisten François Couperin, genannt "Couperin Le Grand". Puyana tut dies in den ehrwürdigen Hallen des Pariser Konservatoriums, genauer gesagt in dessen Instrumentenmuseum. Und es ist Sommer 1968, genauer gesagt Juli 1968. Man kann sich vorstellen, dass die Aufnahmen vielleicht mehrfach verschoben werden mussten. Denn noch wenige Wochen vorher war Paris, war Frankreich im Aufruhr. Im "Pariser Mai" wurden Barrikaden errichtet, Universitäten und andere Gebäude besetzt und traten hunderttausende, ja letztlich Millionen Menschen in den Streik. Die Protestbewegung richtete sich gegen die als verknöchert empfundene Langzeit-Herrschaft des konservativen Präsidenten De Gaulle.
Es hat seinen Reiz sich vorzustellen, wie die besonderes Atmosphäre dieses Sommers auf die Interpretation gewirkt haben mag. War es eine gewisse Entspannung, das diese Ausnahmesituation eben vorüber gegangen war, die das ganz und gar inspiriert wirkende, flink-filigrane Spiel Puyanas leitete? Oder steckte ihm doch Anspannung, Ärger, vielleicht Wut in den Fingern, wie er diese Musik spielte, die ein Hofkomponist eines anderen mächtigen Franzosen - Ludwig XIV. - zur Erbauung seines absolutistischen Fürsten geschrieben hat? Eine Musik, die Puyana nun auf einem Instrument wiedergab, das mutmaßlich die Revolutionäre von 1789 beschlagnahmt und dem Konservatorium übergeben hatten. So viel französische Geschichte (und Gegenwart) in einer Aufnahme.
Und da ist dann noch diese Cembalo-Musik aus dem Jahrhundert des Sonnenkönigs, die einem so fremd, so wunderlich entgegen tritt. Couperins raffinierte und detailverliebte Kompositionen und das Spiel des Cembalisten kreieren in Verbindung mit den eigentümlichen Beschränkungen des alten Tasteninstruments (Tonumfang, Dynamik) eine ganz eigene Klangwelt. Wir erleben ein melodisch-harmonisches Dahingleiten in hellen Farben, das aber zugleich für heutige Ohren durchaus perkussiv daher kommt. Dazu liefert uns Couperin auch nicht die aus dem Barock vertrauten Formen höfischer Tänze. Es sind vielmehr kleine musikalische Poeme, die ein Ding, einen Zustand oder - das am häufigsten - einen Menschen oder eine Gruppe von Menschen in allen charakterlichen Besonderheiten und Sonderbarkeiten zu beschreiben suchen. Aber, paradox: gerade das so an den Klang der Zeit gebundene, zugleich nicht konventionelle Element dieser höfischen Unterhaltungsmusik lässt sie mir auch wieder modern erscheinen. Jedenfalls ganz und gar nicht verknöchert.
Montag, 23. Dezember 2019
Rückblog 2019: Meine bestgehörten Alben des Jahres, Platz 5
Das Rückblog ist back. Was soll ich sagen, am Ende des Jahres reizt es eben auch mich wieder einmal, ein wenig zu reminiszieren.
Wie in blogtechnisch guten und - das jedenfalls - alten Zeiten blicke ich zurück auf Töne, Bilder, Ereignisse des vergangenen Jahres, die mich beeindruckt, die inspiriert haben.
Damals gab es ja auch alljährliche Jahresumfragen. Blogleser*innen und befreundeten Personen haben ebenfalls ihre Favoriten mitgeteilt. Sogar Gewinnspiele gab es da. Und, ich glaube es stehen zwei ausgelobte Auslosungen noch immer aus. Reden wir nicht darüber.
Reden wir über Musikalben, die ich 2019 besonders gerne, intensiv, öfter gehört habe. Tun wir das ohne Umschweife. Während das eine Kind schläft und das andere zufällig gerade in einer anderen Stadt weilt.
Wir müssen hier kurz über die Musikselektion reden. Wer hier eine Bestenliste mit angesagten Platten wie aus Musikmagazinen erwartet, braucht gar nicht weiter zu lesen. Die haben es dieses Jahr nicht in meine Top 5 geschafft. Eines meiner bevorzugten Musik-Jagdgebiete sind ja die medienendzeitlichen Gefilde des zerfallenden CD-Imperiums, namentlich die Wühlkisten und Resterampen von Elekro- und Medienhändlern, die Flohmärkte mit ihren Beständen aus aufgelösten Plattensammlungen, weil der Besitzer längst schon wieder Vinyl hört oder aber Dateien klickt und streamt. Und mein derartig anachronistisches Verhalten schlägt sich dieses Jahr besonders stark nieder.
05 Mahalia Jackson - Portrait
CéDé, 1986 (Compilation)
Gleich zu Beginn ein Flohmarktfund. Eine von unzähligen Compilations, die im Laufe der letzten Jahrzehnte mit irgendwelchen Aufnahmen von Mahalia Jackson geschnitten wurden. Obskur genug, dass man sie gerade noch auf Discogs findet, nicht aber auf YouTube. Verrauschte, unscharfe, grieselige Aufnahmen, wie von ächzenden alten Plattenspielern oder alten Transistorradios wiedergegeben.
Aber durch all die Patina dringt die Stimme der "Queen of Gospel" wie ein Strahl. Entrückt, leidenschaftlich, mit der Emphase der Südstaaten-Sängerin aus New Orleans. Mahalia singt hier alles in Grund und Boden oder in den geglaubten Himmel hinauf, wenn man so will. "Nobody Knows The Trouble I´ve Seen", "Go, Tell It On The Mountain", "I Believe".
Sie steht mit am Anfang des modernen Gospel, gemeinsam mit ihrem frühen Kompagnon Thomas Dorsey. Ihre Art des Singens leiht bei Vorbildern im Blues, den sie zwar schon als Kind heimlich gehört, aber nie selbst gesungen hat. Tatsächlich: bei konservativen Kirchgängern stieß der "neue" Gospel auf Kritik, weil er eben musikalische Elemente von Blues und Jazz übernahm.
Auf "Portrait" ist diese Vielfalt erlebbar. Inbrünstig vorgetragene Hymnen sind da ebenso vertreten wie der beschwingte 50er-Jahre Rhythm´n´Blues "Walking To Jerusalem" mit männlichen Background-Vokalisten. Manche Songs wirken wir alte Spirituals, andere wie neuzeitliche Pop-Balladen. Bei "My Story" vereinigt sich Mahalias Gesang nicht bloß mit einer Orgel, sondern auch mit Congas. Mahalia kann das alles.
Und es macht Sinn, wenn man liest, sie habe unmittelbar vor der "I Have A Dream" Rede Martin Luther Kings gesungen. Eine bessere Vorlage zur Verzückung hätte der Bürgerrechtsprediger nicht haben können.
Den speziellen Reiz, den Patina-bedeckte Aufnahmen in Zeiten von digitalem Klang haben, kann ich hier nicht vermitteln, denn dieses "Portrait" gibt es nicht im Netz. Aber hier dafür ein schönes "Go, Tell It On The Mountain":
Schöne Feiertage!
Wie in blogtechnisch guten und - das jedenfalls - alten Zeiten blicke ich zurück auf Töne, Bilder, Ereignisse des vergangenen Jahres, die mich beeindruckt, die inspiriert haben.
Damals gab es ja auch alljährliche Jahresumfragen. Blogleser*innen und befreundeten Personen haben ebenfalls ihre Favoriten mitgeteilt. Sogar Gewinnspiele gab es da. Und, ich glaube es stehen zwei ausgelobte Auslosungen noch immer aus. Reden wir nicht darüber.
Reden wir über Musikalben, die ich 2019 besonders gerne, intensiv, öfter gehört habe. Tun wir das ohne Umschweife. Während das eine Kind schläft und das andere zufällig gerade in einer anderen Stadt weilt.
Wir müssen hier kurz über die Musikselektion reden. Wer hier eine Bestenliste mit angesagten Platten wie aus Musikmagazinen erwartet, braucht gar nicht weiter zu lesen. Die haben es dieses Jahr nicht in meine Top 5 geschafft. Eines meiner bevorzugten Musik-Jagdgebiete sind ja die medienendzeitlichen Gefilde des zerfallenden CD-Imperiums, namentlich die Wühlkisten und Resterampen von Elekro- und Medienhändlern, die Flohmärkte mit ihren Beständen aus aufgelösten Plattensammlungen, weil der Besitzer längst schon wieder Vinyl hört oder aber Dateien klickt und streamt. Und mein derartig anachronistisches Verhalten schlägt sich dieses Jahr besonders stark nieder.
05 Mahalia Jackson - Portrait
CéDé, 1986 (Compilation)
Gleich zu Beginn ein Flohmarktfund. Eine von unzähligen Compilations, die im Laufe der letzten Jahrzehnte mit irgendwelchen Aufnahmen von Mahalia Jackson geschnitten wurden. Obskur genug, dass man sie gerade noch auf Discogs findet, nicht aber auf YouTube. Verrauschte, unscharfe, grieselige Aufnahmen, wie von ächzenden alten Plattenspielern oder alten Transistorradios wiedergegeben.
Aber durch all die Patina dringt die Stimme der "Queen of Gospel" wie ein Strahl. Entrückt, leidenschaftlich, mit der Emphase der Südstaaten-Sängerin aus New Orleans. Mahalia singt hier alles in Grund und Boden oder in den geglaubten Himmel hinauf, wenn man so will. "Nobody Knows The Trouble I´ve Seen", "Go, Tell It On The Mountain", "I Believe".
Sie steht mit am Anfang des modernen Gospel, gemeinsam mit ihrem frühen Kompagnon Thomas Dorsey. Ihre Art des Singens leiht bei Vorbildern im Blues, den sie zwar schon als Kind heimlich gehört, aber nie selbst gesungen hat. Tatsächlich: bei konservativen Kirchgängern stieß der "neue" Gospel auf Kritik, weil er eben musikalische Elemente von Blues und Jazz übernahm.
Auf "Portrait" ist diese Vielfalt erlebbar. Inbrünstig vorgetragene Hymnen sind da ebenso vertreten wie der beschwingte 50er-Jahre Rhythm´n´Blues "Walking To Jerusalem" mit männlichen Background-Vokalisten. Manche Songs wirken wir alte Spirituals, andere wie neuzeitliche Pop-Balladen. Bei "My Story" vereinigt sich Mahalias Gesang nicht bloß mit einer Orgel, sondern auch mit Congas. Mahalia kann das alles.
Und es macht Sinn, wenn man liest, sie habe unmittelbar vor der "I Have A Dream" Rede Martin Luther Kings gesungen. Eine bessere Vorlage zur Verzückung hätte der Bürgerrechtsprediger nicht haben können.
Den speziellen Reiz, den Patina-bedeckte Aufnahmen in Zeiten von digitalem Klang haben, kann ich hier nicht vermitteln, denn dieses "Portrait" gibt es nicht im Netz. Aber hier dafür ein schönes "Go, Tell It On The Mountain":
Schöne Feiertage!
Sonntag, 22. Dezember 2019
Aktuelle Kamera # 39
Weil Dinge, die vor zwei Jahren waren, einfach nicht mehr aktuell sind. In diesem Fall war es letztes Wochenende am Pöstlingberg. Bei hypertransparenter Luft und Fernsicht.
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