Donnerstag, 9. Juli 2009

Ohren(ge)fälliges: Der Monatsmeister des Monats Juni 2009

Woodpigeon - Oberkampf
Calgary, Alberta / Indiefolkpop

Tauben zählen zweifelsohne zu den unterschätztesten Kreaturen auf diesem Planeten. Nicht nur, dass wir es hier mit einer enorm erfolgreichen Spezies zu tun haben, die es sich auf der ganzen Erdkugel mit Ausnahme der arktischen Gebiete breit gemacht hat, Tauben kommen auch in zahllosen verschiedenen Größen, Farben und Schattierungen vor. Und, auch die Verwandschaftsverhältnisse sind spannend: Da gibt es die diversen Wildtaubenarten, dann die vom Menschen (aus columba livia, der Felsentaube) domestizierte Haustaube und schließlich die oft ungeliebte Stadttaube, eine eigene Form, die sich aus ausgebüchsten oder freigelassenen Haustauben entwickelt, die Nähe zum Menschen aber nie aufgegeben hat. Analog ihrer Vorfahren, der Felsentauben in den felsigen Küstengebieten des Mittelmeeraumes, leben sie nun in den steinernen Schluchten der menschlichen Städte.

Columba palumbus, die Ringeltaube (englisch woodpigeon), ist, was die Taubenwelt betrifft, die Herrscherin der Wälder und Wiesen. Mit der benachbarten Stadttaube, die ja von der Felsentaube abstammt, ist sie nur sehr entfernt verwandt.

Bei den Mitgliedern der Musikgruppe Woodpigeon aus Calgary dürfte es sich, soweit bekannt, usprünglich eher um Stadtmenschen handeln. Mark Hamilton, das Herz der Truppe aus der rasch wachsenden Millionenmetropole in der Provinz Alberta, ein Kanadier mit deutschen und schottischen Wurzeln, hat seine ersten musikalischen Gehversuche in Edinburgh, Schottland unternommen, wo er eine Vorgängerband mit dem etwas fragwürdigen Namen Woodpigeon Divided Through Antelope Equals Squirrel gegründet und auf den Straßen der Stadt Songs mit Titeln wie John Cusack Flees From The Nazis zum Besten gegeben hat. Als seine musikalischen Favoriten und Einflüsse bezeichnet er etwa die Kinks, Sonic Youth oder Simon & Garfunkel, also durchaus auch Künstler mit urbanem Hintergrund. Folgerichtig heißt das bald veröffentlichte neue Album seiner Band auch Die Stadt Muzikanten , was auch ein Tribut an Hamiltons Bremer Großmutter ist. Der Titel des hier vorgestellten, wunderbaren Tracks "Oberkampf" (von der "Houndstooth EP") wiederum bezieht sich auf das bekannte Pariser Szeneviertel. Und, schließlich behauptet Hamilton selbst, dass er den Bandnamen nur gewählt habe, weil das Wort woodpigeon aussehe wie eine Achterbahn.

Ist der Bandname also nur das Überbleibsel eines Witzes, ohne Bezug zur inhaltlichen Ebene? Mitnichten, denn die Musik von Woodpigeon atmet die Weite der Wälde, die Klarheit der Landluft, die Schönheit der Natur. Dort regiert Woodpigeon souverän, badet im Sonnenlicht melodischer Folkklänge, entführt einen auf eine Waldlichtung, wo über das Leben sinniert wird. Der Einfluss schottischer Folkpopmusik ist durchaus noch spürbar, Ähnlichkeiten zu hervorragenden nicht-schottischen Künstlern wie Iron & Wine, Blitzen Trapper, den Winterpills, Sufjan Stevens oder Ron Sexsmith erkennbar.

"The best thing about Calgary is getting out of it — drive straight towards the mountains and soon you’ll be in the paradise of the Rockies," sagt Mark Hamilton dann auch in diesem Interview. An so einen Ort entführt einen die Musik von Woodpigeon.



Keine Kommentare:

Amnesty informiert: Menschenrechtsmusik V

Auch dieses Jahr stellen wir wieder aktuelle Musik mit Bezug zu Menschenrechten vor. Zum 5. Mal dabei und mittlerweile ein Fixpunkt in unse...