Montag, 23. November 2009

Direktwahl

Heute bin ich in der etwas eigenartigen Lage, dass ich Ernst Strasser aus vollstem Herzen zustimmen muss.

Strasser hat die Direktwahl der höchsten Repräsentanten der Europäischen Union durch die europäische Bevölkerung gefordert. Er hat recht, über kurz oder lang wird es sich das geeinte Europa nicht leisten können, grundlegende Entscheidungen wie die Besetzung ihrer höchsten Ämter praktisch völlig losgelöst von einem demokratischen Prozedere durchzuführen. Das unerfreuliche Geschachere hinter verschlossenen Türen im Vorfeld der jüngsten Postenbesetzungen hat diesen Eindruck verstärkt. Und ein derartiges Geschehen ist leider bei so ziemlich allen grundlegenden Entscheidungen der EU zu beobachten. Die demokratische, europäische Öffentlichkeit bleibt außen vor.

Die Europäische Union muss es schaffen, eine echte Demokratie zu werden, wenn sie auf Dauer überleben will. Der Istzustand eines nach wie vor letztlich nicht demokratisch organisierten Staatenbundes, der sich immer mehr Kompetenzen eines Bundesstaates anmaßt, ist unerträglich. Die Direktwahl höchster Vertreter der Union wäre - bei allen organisatorischen und politischen Schwierigkeiten, die zweifellos damit verbunden wären - ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Damit würde den Bürgern Europas eine direkte Einflussnahme auf die politische Bühne Europas gegeben, was die Identifikation mit dem Supra-Staat stärken würde. Außerdem wären Politiker der höchsten europäischen Ebene, die zur Wiederwahl stehen, endlich für Ihre europäische Politik der Bevölkerung gegenüber verantwortlich. Einen derartigen - durch freie und gleiche Wahlen vermittelten - Feedbackmechanismus braucht eine Demokratie. Existiert er nicht, so entsteht bei den Menschen zwangsläufig der Eindruck, dass über ihre Köpfe hinweg entschieden wird, ein Gefühl der Ohnmacht und Bevormundung greift um sich.

Dieses Gefühl droht der Idee der Europäischen Einigung, die ein essenzielles Friedensprojekt darstellt, schweren Schaden zuzufügen. Im Übrigen kann es bei der Frage, ob Demokratie gelebt werden soll oder nicht, nicht vorrangig darum gehen, ob etwas auf den ersten Blick praktikabel erscheint oder nicht. Angesichts der opferreichen Kämpfe, die in Europa für den Wert der Demokratie geführt worden sind, erscheint es unsinnig, so zu tun, als könnte das geeinte Europa ein Mehr an Demokratie nicht verkraften: es muss dies, wenn es auch nur mit ein Bisschen Glaubwürdigkeit für die oft gepriesenen so genannten "Europäischen Werte" Demokratie, Rechtsstaat und Soziale Verantwortung eintreten möchte.

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