Dienstag, 27. März 2007

Ohrenfälliges # 1

Legal downloadbare MP3-Dateien sind ein essentielles Promotion-Tool für Musikacts geworden. Dabei sind gerade neue und weniger bekannte Bands und Künstler in der Situation, dass sie durchaus das Beste aus ihrem gegenwärtigen Material ins Netz stellen müssen, um den erwünschten Widerhall zu finden. Kann uns nur recht sein.

Somit kann nämlich derjenige, der ein bisschen etwas von zeitgenössischer Popularmusik versteht, und weiß, wo er den Blick schweifen lassen muss, im uns umgebenden Datenraum Tonnen von guter Musik finden, ohne dabei auf Tauschbörsen angewiesen zu sein.

Ich bin kein Tauschbörsen-User, weil erstens mein Respekt vor geistigem Eigentum und vor den Mühen der Produktion von Musik doch noch ausgeprägt genug ist, um mir ein Herunterladen ganzer Alben und Diskographien zu verbieten, und weil zweitens das Angebot einer solchen Einrichtung bei mir schlicht zu einer heillosen Reizüberflutung führen würde. Angesichts der Fülle von Musik, die mich interessiert, hätte ich immer das Gefühl, nicht genug heruntergeladen, geschweige denn die Musik auch entsprechend gehört zu haben. Ein Weinkenner bricht ja auch nicht desnachts in einen Weinkeller ein und trinkt jedes Fass leer, bis er ins Koma fällt..Eine ganz andere Geschichte sind da allerdings die Musik-Blogs, aber genug der Vorrede jetzt.

In diesem Blog soll wöchentlich eine legale MP3 vorgestellt werden, die mir persönlich augenblicklich am Herzen (bzw. in den Gehörgängen) liegt. Vielleicht werden es manchmal auch mehr sein, aber die Zielvorgabe lautet grundsätzlich so. Gerade jetzt zu Beginn mag es sein, dass die Frequenz ein bisschen höher ausfällt. Denn nicht wenige der "Bestgehörten Tracks" in der immer wieder aktualisierten Liste rechts unten stehen zum freien Download zur Verfügung. Es besteht also ein gewisser Nachholbedarf.

Fangen wir also gleich in meinen "Top 25" von unten an:

The Shondes - "I Watched The Temple Fall"(Demo)

The Shondes (sprich: shan-duhs; von jiddisch "shonde" = "Schande") gehören zur immer grösser werdenden Zahl von über die Grenzen ihrer Stadt hinaus bekannt werdenden New Yorker Bands, die sich einem Stilmix aus (Punk-)Rock und osteuropäischer Folklore, insbesondere auch Klezmer-Musik, verschrieben haben. Als weitere Hauptakteure dieser "Bewegung" (soweit man das so nennen darf) wären zu nennen: Gogol Bordello (d.i. Eugene Hütz - vielen eher als Filmpartner von Elijah Wood in "Alles ist erleuchtet" bekannt - mit seinem mit Klezmerelementen angereicherten Gypsy-Punk), Golem oder auch The Klezmatics (noch einem eher traditionellen Klezmerverständnis verpflichtet, jüngst auf ihrem Woody Guthrie-Tribute allerdings mit einem starken Twist Richtung amerikanischem Folk). Auch DeVotchKa, eine Band aus Denver, gehört in diese musikalische Ecke (das ist jene Band, die den Großteil des Soundtracks zu "Little Miss Sunshine" beigesteuert hat).

Der spezielle Ansatz der Shondes besteht in der Verbindung von Elementen der traditionellen jüdischen Musik mit solchen der klassischen Musik und des Punk, insbesondere seiner Spielarten Queercore und Riot Grrrl-Punk. Letztere beiden Stilrichtungen prägen auch ganz stark das Selbstverständnis der Band, die sich ganz bewußt in einer rebellischen Anti-Establishment-Rolle sieht und inszeniert, in einer Außenseiterrolle (das dokumentiert auch der Bandname) - und zwar sowohl in politischer als auch in Gender-Hinsicht. 3 der 4 Bandmitglieder sind jüdischer Herkunft, aber alle drei sind sie Mitglieder der Organisation "Jews Against the Occupation", die sich den Kampf gegen die israelische Besatzung Palästinas auf die Fahnen geschrieben hat. Gleichzeitig sind 3 der 4 Transgender, was ihre starke Verwurzelung in der Queercore-Bewegung erklärt.

Man mag die Art, wie die Shondes ihre Außenseiterrolle inszenieren und zum marketingrelevanten Alleinstellungsmerkmal stilisieren nun als etwas übertrieben, vielleicht sogar als unangenehm empfinden (und in der Hinsicht gab es tatsächlich einiges an Kritik, die auch auf der Shondes-HP nicht ausgepart bleibt), an der Qualität ihrer Musik kann das aber nichts ändern. "I Watched The Temple Fall" ist bloß eine Demo, aber sie macht das (Hit-?)Potential dieser Truppe aus Brooklyn deutlich. Richtig ausproduziert kann das auch auf Albumlänge durchaus was Interessantes werden.

Hier gehts zu "I Watched The Temple Fall" und zwei weiteren Tracks von The Shondes.


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