Montag, 23. April 2007

Erzfeinde # 2

Die Besatzer


Sie kommen und machen sich auf dem Vierer breit. Der Rucksack auf dem Platz schräg gegenüber, ein Plastiksackerl auf dem Sitz zur Rechten, die Beine in Fahrtrichtung ausgestreckt, auf dem gegenüberliegenden Polster thronend. Der Zug ist voll, aber das ist ihnen gleich. Ständig strömen neue Reisende in das Abteil und halten unruhig nach freien Plätzen Ausschau. Doch sie blicken starr vor sich hin und vermeiden jeden Augenkontakt mit den Anderen. Sie kommen aus allen sozialen Schichten, sind beiderlei Geschlechts, jeden Alters.

Als jemandem, der schon unzählige Male mit der Bahn von dem einen Ende von Winz zum anderen gefahren ist, sind mir diese Bilder nur allzu vertraut.

Es muss also Menschen geben, die vor der relativen Nähe anderer, die sie nicht kennen, eine solche Panik verspüren, dass sie vor derart asozialem Verhalten nicht zurückschrecken. Dafür mögen sich ja vielleicht in der individuellen Biographie des Einzelnen Gründe finden, dennoch: hier hört mein Toleranzempfinden einfach auf. Ein schönes Beispiel für wirklich unentschuldbares Fehlverhalten.

Natürlich gibt es eine Zauberformel, die man in der Regel sprechen kann, um den Drachen von seiner Brücke zu vertreiben: "Ist der Platz da frei??" So weit geht die soziale Devianz dann in der Regel nämlich doch nicht. Aber selbst da hat man schon anderes gesehen.

Nur gut, dass mich derartige Verhaltensweisen nicht ganz so hart treffen. Denn erstens bin ich stets darauf gefasst, die Zauberformel zu sagen, zweitens habe ich schon einen gewissen Instinkt entwickelt, der mir hilft, freie Plätze frühzeitig zu ergattern. Man muss nur zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle des Zuges einsteigen und dann drinnen rechtzeitig zuschlagen. Trotzdem: Die Haltung der Besatzer ist mir immer wieder aufs Neue zuwider. Diese Haltung ist ein Erzfeind. Einer, dessen Keim natürlich in jedem von uns schlummert. Aber, wenn wir den Platz zu unserer Seite für den Anderen frei machen, dann schwächen wir diesen Keim in dem Augenblick nachhaltig. Amen.





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  Danke an Alex P.!