Mittwoch, 1. August 2007

Nuke 2007, die Musik

Mit leichter Verzögerung präsentiere ich meine subjektive Ordnung der Auftritte beim diesjährigen Nuke-Festival.

1. Amadou & Mariam (Moon Stage, 14.7.)

Mein unbestrittenes Nuke-Highlight 2007. Das blinde Ehepaar aus Mali (Amadou: g, Mariam: voc) mit dem Trommler und dem französischen Bluesrock-Onkel an der Seite schlug sogar Calexico. Eine Liveband, wie sie sein soll, die sich und das Publikum mit jeder Nummer mehr in Trance spielt, die afrikanische Rhythmen virtuos mit westlicher (Blues-)Rocktradition zusammenpappt und nebenbei auch noch musikalische Einflüsse aus allen weiteren Himmelsrichtungen einfließen läßt. Ein Schweiß treibendes und Katharsis bringendes Erlebnis!

Einen, wenn auch leicht verschwommenen, Eindruck von der Live- Meisterschaft der Band kann man hier gewinnen.

Übrigens: Mariam und Amadou, die sich einst im Blindeninstitut von Bamako, Mali, kennengelernt haben und deren Ruhm sich zunächst mit Hilfe der MP3s der "Dritten Welt", der Tonbänder, über Westafrika und in der Folge dann über die ganze Welt ausgebreitet hat, sind Ende Juli in England gemeinsam mit einer Band namens Scissor Sisters unterwegs. Was für eine Karriere.

2. Calexico (Sun Stage, 13.7.)

Der logische Erste auf dieser Liste vor dem Nuke und dem Auftritt von Amadou & Mariam. Es war auch wirklich ein sehr schönes Konzert. Den psychedelisch-mindblowenden abendlichen Auftritt am letztjährigen Frequency (damals als vorletzte Band vor dem Mainact der kleinen Bühne, Belle & Sebastian) konnten sie zwar nicht toppen, aber das mag an der Hitze, der Bühne, der Uhrzeit, der Atmosphäre gelegen haben. Denn sie geigten wieder mit all ihrem Können und ihrer Verve auf: eine Band aus musikalischen Perfektionisten, die aber auch fähig sind, die notwendigen Showelemente in ein Livekonzert einzubringen. Da wurde plötzlich "Love Will Tear Us Apart" zitiert, da wurde "Guns Of Brixton" angestimmt, da kam zum Abschluss die ganze lärmende, feiernde Truppe von Babylon Circus (die an jenem Tag als undankbare erste auf der Sun Stage aufgetreten waren) auf die Bühne - und den Herren von Calexico machte es sichtlich Spass. Toll!

3. Alpha Blondy (Sun Stage, 14.7.)

Reggae ist wie Hip Hop, ist..richtig: Livemusik! Und die haben live schön gewummert, die Bässe von Alpha Blondy! Sehr inspirierend!

4. The Prodigy (Sun Stage, 13.7.)

Liebe "Prodigy"-Fans der Neunziger, hier die Wahrheit: Ihr wart jung, sie waren neu, sie waren laut, sie waren wild! Aber: Sie haben auch immer diesselbe Nummer gespielt und die war nicht der Weisheit letzter Schluss! "The Prodigy" waren ein Zeitphänomen, dass heute noch gut davon lebt, dass ihr jung wart und sie neu, laut und wild waren. Keine Band für die Ewigkeit. So gesehen muss man als jemand, der vom Prodigy-Rave-Rock-Fieber damals nicht erfasst war, Prodigy heute eigentlich nicht unbedingt gesehen haben, Rave-Revival hin oder her.

Andererseits können Prodigy auch heute eines noch verdammt gut: Party machen! Die Mittel der Wahl sind vielleicht einigermaßen beschränkt und auch nicht mehr ganz zeitgemäß, aber das Resultat eines mittellangen Liveacts der Briten ist immer noch das Gefühl, dass einem hier sehr ordentlich eingeheizt worden ist und dass das vielleicht auch alles ist, was man hat verlangen können. So gesehen schadet es auch 2007 nicht, Prodigy live zu erleben.

5. Attwenger (Sun Stage, 13.7.)

Die Upper Austrian-Local Heroes. Man fühlt sich ihnen ja schon wegen ihrer Stadtwerkstatt-Vergangenheit irgendwie verbunden. Respektable Vorstellung, wenngleich es zum Zeitpunkt des Auftritts schon noch unangenehm heiss war. Ausserdem dürften Attwenger deutlich mehr Spass machen, wenn man nicht mehr so ganz nüchtern ist (wodurch auch immer..) und das repetitive Element ihrer Musik infolgedessen besser zu Paß ist. Sag ich jetzt halt mal so.

6. Kosheen (Sun Stage, 13.7.)

Ja, die Kosheen haben ein paar nette Liedchen. Ja, die Sängerin hat eine gute Stimme. Ja, laut sind sie auch (ich war im Wavebreaker und ich sage euch..). Ja, der Drummer ist ein beeindruckendes Urvieh und macht sich gut hinter seiner Plexiglasscheibe. Aber: Muss das immer sein, bei Elektro-Rock-Bands, dieses Gehabe? Dieses gönnerhaft-herablassende, mit dem das Publikum behandelt wird, dieses gerüttelte Maß pathetischer Arroganz, das manchmal die Sphären der Abgehobenheit von Parteitagsrednern (was für Parteitage??!) erreicht? Und: Müssen die Betrunkenen unter den Hardcore-Elektro-Rock-Fans immer so dazu passen, wie die Faust aufs Auge?

7. Joy Denalane (Moon Stage, 14.7.)

Solide Soul-Sister singt in St. Pölten. Tolle Stimme, Lieder, die beim einen Ohr reingehen und beim anderen wieder raus.

8. Beastie Boys (Sun Stage, 14.7.)

Hip-Hop sei Live-Musik, haben wir gehört. Right, bei Dendemann am Pfingst-Open-Air war das auch so. Aber hier, auf der riesigen Sun Stage: verschenkt! Wenn man nicht gerade im Wavebreaker war (Vermutung), wars einfach nur ein Krampf, wenn man diese kleinen Maxeln da auf der fernen Bühne herumhüpfen sah. Die elektrischen Entladungen eines echten Beastie Boys-Auftrittes waren hier nicht einmal zu erahnen.

9. Die Fantastischen Vier (Sun Stage, 13.7.)

Dito. Nur, dass Die Fantastischen Vier eben nicht die Beastie Boys sind. Was sie aber beinahe durch einen geringfügig besser funktionierenden Sound wettgemacht hätten, wenn da nicht die völlig überflüssigen Ansagen des Thomas D. gewesen wären. Die eher unkomischen Kalauer hätte man ihm ja noch durchgehen lassen und einem kulturbedingten Humordefizit zuschreiben können, aber das ständige belobhudeln des Nuke-Festival (an dem er dem Vernehmen nach auf irgendeine Weise wirtschaftlich beteiligt ist) in Mallorca-Animateurs-Qualität war dann doch des Üblen zuviel.

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