Sonntag, 1. März 2009

Linz 09 # 3: Der Hofer wars..



Samstag wars, die Wintersonne bemühte sich redlich. Auf Einladung der Fa. Hofer strömten überschaubare Volksmassen in das Linzer Schlossmuseum und das Lentos Kunstmuseum. Der wirkliche Wahnsinn hat sich gestern anscheinend, wie mir von einem im Lentos angetroffenen Freund berichtet wurde, im Landesmuseum abgespielt, wo die Toulouse-Lautrec-Schau gerade einen Tag alt war..

Mein Gast aus Wien und ich hatten damit eigentlich gar nicht gerechnet, recht war es uns aber dann doch. Denn einerseits bestand die einzige Wegmaut zum Museumsinneren in der Entgegennahme bunter Informationen der Fa. Hofer zu dieser jeden letzten Samstag im Monat stattfindenden Kostenlos-in-die-Ausstellung-Aktion. Andererseits war auch das Gedränge in der "Kulturhauptstadt des Führers" und vor allem in "Best of Austria" im Lentos dank der Umlenkung Richtung Landesmuseum durchaus erträglich.


"Die Kulturhauptstadt des Führers" (17.9.2008-29.3.2009)

Nur allzu gut erinnere ich mich noch an jene Konversation mit einem Mitarbeiter einer englischsprachigen Buchhandlung in Shanghai im Jahr 2005, in deren Zuge ich von meinem chinesischen Gegenüber gefragt wurde, wo in Österreich ("Austria, beautiful country!!") ich denn zuhause sei. "In Linz", gab ich zurück, "I don´t think you know .." Doch, siehe da, sein Gesicht hellte sich auf, wie das die Gesichter von Wissenden zu tun pflegen. "Of course I know Linz! This is where Hitler went to school!" Wumm. Da war ich so verblüfft, dass ich komischer Weise darauf zurückgab: "And Wittgenstein, too."



Hitler hat Linz immer als seine eigentliche Heimatstadt betrachtet, da kommen wir nicht drum herum. In Braunau am Inn mag seine Wiege gestanden haben, aber die Jahre seiner Jugend, in denen sein leidenschaftliches Interesse für die Künste und die Politik geweckt wurden, hat er in der Stadt an der Donau zugebracht.

Das hatte weit reichende Folgen. Linz wurde (neben Berlin, München, Nürnberg und Hamburg) zu einer der fünf "Führererstädte" erhoben, das besondere Augenmerk des Diktators lag auf der Stadt und deren Ausbau. Schon als Schüler hatte Hitler Pläne zu einer archtitektonischen Umgestaltung der oberösterreichischen Stadt gesponnen, nun war er in der Lage, deren Umsetzung in die Wege zu leiten. Von den für Linz - das nach Hitlers Vorstellungen ein "Deutsches Budapest" werden sollte - geplanten Monumentalbauten wurden, bedingt durch die Kriegsereignisse, nur vier verwirklicht, die einen zusammenhängenden Komplex bilden: die Nibelungenbrücke, das westliche und das östliche Brückenkopfgebäude sowie das an das westliche Brückenkopfgebäude anschließende nunmehrige "Heinrich-Gleissner-Haus", in dem heute die oberösterreichische ÖVP ihren Sitz hat.

Zusammen mit den "Hermann-Göring-Werken" (heute: VOEST) und zahlreichen Wohnbauten ergibt dies für Linz ein sehr augenfälliges Erbe der braunen Präsenz. Es gehört zu den unbestreitbaren Verdiensten der gegenwärtigen Stadtregierung, dass sich die oberösterreichische Landeshauptstadt in den vergangenen Jahren dieser düsteren Vergangenheit verstärkt gestellt hat - auch wenn nicht immer in jedem Einzelfall wirklich glücklich agiert wurde (dazu vielleicht einmal an anderer Stelle mehr). Da ist es nur folgerichtig, dass sich auch das Kulturhauptstadtjahr 2009 dieser Thematik nicht verschließt.

Die "Kulturhauptstadt des Führers" überrascht den Besucher insofern, als es sich hier nicht in erster Linie um eine detailierte Auseinandersetzung mit den Plänen Hitlers und seiner architektonischen Helfershelfern für Linz und deren teilweise Umsetzung handelt. Insofern ist der Ausstellungstitel ein wenig irreführend. Vielmehr stehen die Bedingungen im Mittelpunkt der Ausstellung, unter denen im Nationalsozialismus Kulturarbeit und Kunstschaffen von Statten ging bzw. verunmöglicht wurde. Was die Monumentalbauten betrifft, ist dem geplanten, aber nie verwirklichten "Führermuseum" ein Schwerpunkt gewidmet. In diesem Haus hätte eine große Sammlung von Hitlers persönlich bevorzugtem Kunststil, romantisch-konservativer Malerei des 19. Jahrhunderts, Aufnahme finden sollen. Zu diesem Zweck ließ der Diktator im ganzen Reich Kunstwerke zusammenrauben und -kaufen.

Kritisch betrachtet läuft die Ausstellung "Kulturhauptstadt des Führers" stellenweise Gefahr, sich an der Darstellung des riesigen Themenkomplexs Hitler-Nationalsozialismus-Linz-Kulturschaffen etwas zu übernehmen. Für eine wirkliche umfassende Darstellung der hier angeschittenen Fragestellungen erscheint sie etwas unterdimensioniert. Dennoch sind die einzelnen geworfenen Schlaglichter gut gewählt und umgesetzt und leisten, auch dank der Aktion unseres Lebensmitteldiskonters, eine wesentlichen Beitrag dazu, die Lebens- und Leidenswirklichkeiten der NS-Zeit einem breiteren Publikum zu vermitteln. Und das kann in Zeiten, in denen desorientierte junge Menschen Parteien wählen, die sich hämisch feixend - wie einst der aufsässige Linzer Realschüler Adolf H. - Kornblumen ans Revers heften, nur richtig sein.


"Best Of Austria"(2.1.-10.5.2009)

Vom Übelsten, dass aus unseren Fluren gekommen ist, zum Besten. Oder zumindest zu dem, was in Beantwortung einer eher ironischen Fragestellung der Linz '09- und Lentos-Leute von den österreichischen Museumsmachern und Sammlungseignern für dasselbige aus- und hergegeben wird.

Jetzt ist es natürlich nicht so, dass die Albertina einen Dürer oder das Kunsthistorische Museum die Saliera oder einen "echten" Brueghel (allerdings ein Werk aus seiner Werkstätte) donauaufwärts gesandt hätte. Auch die Reichsinsignien des Heiligen Römischen Reiches, die Venus von Willendorf oder "Der Kuß" waren im Lentos nicht gesichtet.

Das Gesamtergebnis macht dennoch durchaus Spaß. Zwar stellt der naturgemäß extrem eklektische Charakter der versammelten Exponate das wandernde Auge des Betrachters zeitweise vor gewisse Herausforderungen, dennoch ist die Qualität der anwesenden Kunst durchgehend so, dass man als kunstinteressierter Anwohner einmal vorbei geschaut haben sollte. Viel Österreichisches ist da klarer Weise dabei, von sehr arrivierten wie auch von jungen Künstlern. Gleichzeitig sind die "Antworten", die da gegeben wurden, ähnlich ironisch und humorvoll ausgefallen wie die Fragestellung. Da schickt die Liechtenstein-Sammlung das Porträt einer "Nudelesserin" des Urfahraner Künstlers Johann Baptist Reiter (1813-1890). Da kommt vom Kunsthistorischen Museum jenes Porträt der Kaiserin Maria Theresia, das in jedem österreichischen Schulbuch zu finden ist.




Natürlich erzeugt es jetzt eine gewisse intellektuelle Freude, über die Hintergründe der von den Damen und Herren Kuratoren getroffenen Entscheidungen nachzugrübeln. Trotzdem kommt man nicht umhin, festzustellen, dass der Tiefgang des Ausstellungskonzeptes dann doch ziemlich enden wollend ist. Das vorgeschobene Argument, man wolle hier zu einem Diskurs über die Sinnhaftigkeit von Bestenlisten an sich anregen, wird rasch als nicht sehr substantiell enttarnt - zu sehr ist diese spezifische Selektion von Sachzwängen und antizipierender Humoristik geprägt, um sinnbildlich für andere "Best-Ofs" stehen zu können.

Das spielt aber andererseits im Endeffekt auch wieder keine allzu große Rolle. Denn eines ist dieses Ausstellungsprojekt auf jeden Fall: ein recht authentischer Ausdruck des trockenen und zugleich Augen zwinkernden Linzer Humores, der gerade auch im (pop-)kulturellen Leben so schön zum Tragen kommt. Dinge gut zu machen, ohne sie deswegen gleich Todernst nehmen zu müssen, das kann man hier ganz gut, das entspricht dem Geist der Stadt.

Und schließlich erfüllt "Best of Austria" mit seinem Ansatz natürlich auch einen weiteren wertvollen Zweck: Menschen die Fülle von Kunstschaffen vor Augen zu führen und sie so zu der für sie persönlich vielleicht "passenden" Form hinzuführen. Wozu auch der Lebensmitteldiskonter wiederum einen Beitrag geleistet hätte.

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