2008 war auch ein Kinojahr. Zwar hat man schon jetzt den Eindruck, dass dieser Jahrgang- Wall-E hin, Dark Knight her - von 2009 klar in den Schatten gestellt werden wird, doch auch 2008 gab es viele Gründe, in das Lichtspielhaus des Vertrauens zu pilgern. Und wie jedes Jahr habe ich auch in diesem Jahr jeden Film, den ich gesehen habe, bewertet und in ein Jahresranking eingefügt.
Das Ranking in gestürzter Reihenfolge (19-11):
19 Todd Haynes: "I´m Not There" 2.5
Haynes überhebt sich an dem Versuch, das selbst gewählte Enigma Dylan adäquat abzubilden. Ein Film, der wie ein verrätselter Dylan-Song sein will, letztlich aber doch allzu oft nur Klischees in hochverschnörkelter Form wieder gibt. Es gelingen starke Momente - vor allem dank guter schauspielerischer Leistungen - aber viel mehr schon nicht. Wer wirklich mit Bob Dylan in Kontakt treten will, der sehe die nüchtern-verbindliche Scorsese-Dokumentation "No Direction Home" oder studiere gleich den Meister selbst. In "I´m Not There" ist Dylan nicht wirklich da. Dem Kenner bietet dieser Film nichts fundamental Spannendes, dem Laien kommt er zu konfus daher.
18 Erwin Wagenhofer: "Let´s Make Money" 3
Der Zeitpunkt, zu dem dieser Streifen ins Kino kam, hätte in marketingtechnischer Hinsicht nicht viel günstiger gewählt werden können (Ironie des Kapitalismus). "Let´s Make Money" ist zweifellos ein wichtiger Film, auch wenn er eigentlich schon viel früher gemacht hätte werden sollen, nein, falsch, eigentlich hätten hunderter solcher Filme schon viel früher gemacht werden sollen. Die Dokumentation von Erwin Wagenhofer reißt allerdings cineastisch gesehen wahrlich keine Bäume aus. Ein eher lose aneinander gefügtes "Best of Worst of Finanzkapitalismus" in teilweise sonderbar schönen Bildern (Finanzkapitalismus ist anscheinend wirklich böse, aber er kann verdammt ästhetisch sein, wenn man im richtigen Zeitpunkt die Kamera draufhält..) ist sie geworden. Der intellektuelle Nährwert des Filmes dürfte nur einen Bruchteil eines guten Buches ausmachen, aber für das populär-erzieherische Bemühen gibt es drei Sterne.
17 Wes Anderson: "The Darjeeling Limited" 3
Die Anfangsszene steht emblematisch für den ganzen Film: Bill Murray versucht auf irgendeinem Bahnhof in Indien einen Zug zu erwischen, doch der fährt ihm vor der Nase weg. Die bobocineastische Zielgruppe darf sich prustend auf die Schenkel klopfen. Was folgt: jede Menge halblustiger Einlagen für die Zielgruppe, einige mehr als anständige schauspielerische Darbietungen und ein paar wahrlich Atem beraubende Standbilder des indischen Subkontinents. Alles in allem aber doch viel zu kalkuliert, viel zu wenig mutig, deutlich zu dröge.
16 Steven Spielberg: "Indiana Jones 4- The Kingdom Of The Crystal Skull" 3
Zum Glück gibt es ihn, den nostalgisch verklärten Blick. Er erspart es einem zuweilen, die Wahrheit in ihrer ganzen Übelhaftigkeit zu sehen. So ist es dann auch möglich, dem von vielen so lange herbei gesehnten vierten Teil der Saga um den amerikanischen Action-Archäologen drei Sterne zuzugestehen. Und das trotz der an Kindesweglegung grenzenden letzten 30 Minuten, dem dämlichsten Abschluss einer bedeutenden Kino-Saga seit Lichtspielgedenken. Ein Cut an der richtigen Stelle, das heißt eben unmittelbar vor dieser letzten halben Stunde, hätte dem alten Doctor Jones einen würdevollen Abgang verschaffen können - man hätte ihn ja zum Beispiel einfach in eine Schlangengube stürzen lassen können oder durch einen großen Stein beiseite räumen. Das wäre mutig gewesen. Auch ein tränenreicher Heldentod zur Rettung des Filius wäre passabel gewesen. Alles jedenfalls um Maya-Pyramiden besser als die letzten 30 Minuten. Aber uns bleibt ja noch die Nostalgie.
15 Uli Edel: "Der Baader Meinhof-Komplex" 3
Der "Baader Meinhof-Komplex" ist ein nicht unspannendes und durchaus lehrreiches Bernd Eichinger-Fernsehspiel fürs Kino (umgesetzt von dessen Filmdreherling Uli Edel). Allerdings leidet dieses Terrorgruppen-Biopic doch phasenweise etwas an platten Dialogen und plumpen Pointen (man verzeihe den Ausdruck in diesem Zusammenhang, aber er triffts leider irgendwie ["triffts leider" ist vielleicht auch unpassend]). Immerhin: das Erzähltempo stimmt und die Originalvorlage des Streifens scheint ob ihrer akribischen Genauigkeit Gewähr dafür zu bieten, dass der Historie hier halbwegs Genüge getan wurde. Somit ist dieser Komplex nicht mehr und nicht weniger als eine gut verdauliche, populär-geschichtlich-audio-visuelle Fassung des "Baader Meinhof Komplex" von Stefan Aust. Ein Seh-Hör-Lehrbuch sozusagen. Sowas muss und soll es wohl auch geben.
14 Marc Forster: "Quantum of Solace" 3
Daniel Craig ist immer noch, da besteht kein Zweifel, der beste James Bond aller Zeiten. Kein glatter Schnösel wie Sean Connery, kein Kasperl im Auftrag seiner Majestät wie Roger Moore und keiner von den anderen, an die sich schon jetzt keiner mehr erinnern will (gabs da nicht einen George Brosnanby?). Allerdings muss sich der beste Bond aller Zeiten immer noch mit Drehbüchern herumschlagen, die ihm nicht ganz gerecht werden. "Quantum of Solace" stellt zwar in dieser Hinsicht beinahe schon einen Quantensprung (Verzeihung!) gegenüber der seltsam langweilig-wirren zweiten Hälfte von "Casino Royale" dar, dafür hätte der Film definitiv ein paar Minütchen mehr vertragen können. Das Ende wirkt merkwürdig gedrängt. Am stärksten: tatsächlich die Sequenzen bei den Bregenzer Festspielen, und ich sage das nicht aus Patriotismus, denn danach ist mir zur Zeit nicht so wirklich. Ich habe den Film übrigens in Stockholm gesehen (das nur, um auch mich mit einer Art 007-Weltläufigkeit zu zieren..).
13 Vincent Paronnaud, Marjane Satrapi: "Persepolis" 3.5
Nach den allgegenwärtigen Lobeshymnen auf "Persepolis" waren die Erwartungen vielleicht ein bisschen hoch. Dass der Film diese Erwartungen enttäuscht hätte, wäre übertrieben. Die animierte Jugendbiographie der Comiczeichnerin Marjane Satrapi weiß durchaus zu gefallen. Die erzählte Geschichte besticht durch Charme und Wahrhaftigkeit. Besonders beeindruckend: die einigen Raum einnehmenden Wahrnehmungen aus der subjektiven Perspektive der Fremden Satrapi in der österreichischen Bundeshauptstadt. Am Anfang erschrickt man, fühlt sich fast persönlich angegriffen, doch dann erkennt man: das ist ein magischer Spiegel und er zeigt nicht das Schönste im Land. Bei all den starken Momenten ereilt allerdings interessanter Weise auch "Persepolis" ein wenig das Schicksal der meisten Literaturverfilmungen: man hat den Eindruck - auch, wenn man die Vorlage (noch) nicht kennt - dass da Auslassungen da sind, dass da unterirdische Verbindungsstränge gekappt werden mussten, um das Erzählwerk in eine andere Form, ein anderes Format zu pressen. A propos: der Comic ist natürlich eine große Empfehlung (den hab ich dank Brigitte dann nachgeholt)!
12 Joel Cohen, Ethan Coen: "No Country For Old Men" 3.5
Wenn alle Welt über die coole Frisur des Psychokillers spricht, dann sollte man ein wenig misstrauisch werden. Das klingt nämlich ein bisschen nach Quentin Tarantino, aber die Coen-Brüder sind nicht Tarantino. Ihr Stil ist anders, düsterer und auch von einem ernsthafteren Zynismus erfüllt, und vor allem: sie beginnen sich in "No Country For Old Men" leider zu wiederholen, zitieren sich immer öfter selbst. Auf der anderen Seite ist "No Country" von der filmischen Form her natürlich sehr fein gemacht - das war auch nicht anders zu erwarten. Vor allem am Anfang, wenn der Fokus auf den großartig-wandelbaren Josh Brolin gerichtet ist, ist das ganz großes Kino. Mit der Zeit lässt die Wirkung der Coenschen Stildroge aber doch merklich nach und ganz gegen Ende schaut man ob der üblichen zynischen Spärenzchen schon ein wenig auf die Uhr und wartet darauf, dass Javier Bardem und seine Triebtäter-Fönwelle endlich aus dem Bild wackeln. Auch wenn es die Coen-Puristen nicht gern hören werden: der schwächere ihrer beiden Filme in diesem Kinojahr.
11 Tim Burton: "Sweeney Todd - The Demon Barber Of Fleet Street" 3.5
Die Zeit unmittelbar nach Ende des Gerichtsjahres war für mich zeitweise wie ein Fall in ein tiefes Loch. Zuviel Zeit zum Nachdenken, zuviel Ungewissheit über die Zukunft. Just an jenem Abend, an dem dieser Zustand am schlimmsten war, beschloss ich, mich durch einen völlig absurden Musicalfilm über einen Menschen schlachtenden Barbier in eine andere Realität zu beamen. Das gelang nicht ganz so gut wie erwartet, aber dass mir der Streifen dann doch in ziemlich guter Erinnerung geblieben ist, spricht schon für die Imaginationskunst von Tim Burton. Sicher: er hat sich hier nicht selbst übertroffen, aber für das Genre des Musicalfilmes hat er hier definitiv eine relevanten Beitrag - man ist fast geneigt, von eine "Blutauffrischung" zu sprechen - geliefert.
http://www.youtube.com/watch?v=KVuoUBczMoI
Nächste Vorstellung im Rückblog: Die Plätze 10-6!
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1 Kommentar:
I'm Not There 4
Indiana Jones 3
James Bond 3.5
No Country For Old Men 5
(das mit dem ernsthafteren Zynismus ist allerdings richtig und klug beobachtet)!
Lg.
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