Samstag, 12. November 2011

Athen in Buchstaben L-Z

L wie Lykavittós
Zwei Erhebungen dominieren die Stadtmitte von Athen. Zum einen natürlich die altehrwürdige, 156 Meter hohe Akropolis mit ihrem weltberühmten Ensemble von Tempeln - allen voran dem Parthenon und dem Erechtheion - und dem anschließenden Areopag-Felsen (s. P). Zum anderen, nordöstlich der Akropolis und jenseits des Syntagma-Platzes gelegen, der Lykavittós (auch lat. Lykabettus), der markante, 277 Meter messende Stadtberg Athens. Manche erinnert dieser schroffe Felsen, der von einem Waldring umgeben ist, an die Tonsur eines Mönches. Auf seinem Haupt befindet sich eine kleine, weiße Kapelle und hinauf oder hinab gelangt man zu Fuß oder mit einer Standseilbahn. Einen Besuch des Lykavittós sollte der Besucher von Athen einplanen, von hier aus hat man den bestmöglichen Blick über die Stadt bis hinaus in den Saronischen Golf.
Der Lykavittós von der Akropolis aus gesehen.


M wie Mykenische Kultur
Erste Hochkultur auf dem europäischen Festland (18.-11. Jht. v. Chr.). Benannt nach der bedeutende Palaststätte von Mykene am Peloponnes (nicht weit von Korinth, s. K), wo Schliemann den "Schatz von Mykene" ausgrub, darunter die "Maske des Agamemnon". Bei jener handelt es sich um die goldene Totenmaske eines bronzezeitlichen Fürsten. Mit dem Marketinggeschick eines erfolgreichen Geschäftsmannes versehen, hat sie Schliemann König Agamemnon, dem Anführer der Achäer aus der Homerischen Ilias, auf die Augen gedrückt. Neider behaupteten allerdings, er habe sie selbst anfertigen lassen, weswegen sie ihm ähnlich sehe und außerdem knausrig ausgeführt sei, was natürlich alles Unsinn ist. Die Maske und den Rest vom Schatz kann man heute im Archäologischen Nationalmuseum in Athen bewundern (s. N).

N wie Nationalmuseum, Archäologisches
Neoklassizistisches Bauwerk aus der Feder des deutschen Architekten Ernst Ziller (s. Z) sowie museale Institution von Weltrang. Beherbergt die vermutlich bedeutendste Sammlung von Artefakten aus der griechischen Antike, die es gibt. Hier treten uns die Anfänge der europäischen Bildhauerkunst in Gestalt der Kouroi und Koren entgegen, wir sehen lange Reihen von Vasen der unterschiedlichen Stilepochen und prachtvoll in Stand gesetzte bronzene Skulpturen. Dazu minoische Wandmalereien, kykladische Idole und natürlich der Schatz von Mykene (s. M). Das Archäologische Nationalmuseum in Athen, das ist ein ganzes Kapitel ("griechische Antike") im Kunstgeschichtebuch eurer Wahl - in 3D. Und übrigens kommen auch Freunde der Technikgeschichte auf ihre Kosten, leider bin ich jedoch beim Mechanismus von Antikythera einfach vorbei gelaufen. Es gab einfach viel zu viel zu sehen.

Der "Jockey" von Artemision.

O wie Olympieion
Einstmals größter Tempel des antiken Athen. Auf einem grünen Areal östlich der Akropolis und hinter dem Hadrianstor gelegen, können seine noch vorhandenen Überreste - Säulen aus hellenistischer Zeit-  besichtigt werden. Im Vergleich zur Akropolis scheint dies ein recht beschaulicher Ort zu sein. Man kann sich auf eine Bank setzen und die antiken Denkmäler in aller Ruhe auf sich wirken lassen.



P wie Parthenon
Zweifellos gehört die Athener Akropolis zu jenen Orten auf der Erdkugel, die gemeinhin ganz weit oben in der Kategorie "Plätze, die man gesehen haben sollte, bevor man abtritt" eingeordnet werden. Und ja, das geschieht völlig zu Recht. Auch wenn die alten Bauwerke auf ihrem Rücken in den Jahrtausenden ihres Bestehens von den Stürmen der Geschichte ordentlich gebeutelt und auseinander genommen worden sind, so ist ihre imposante Größe und die Schönheit ihrer Anlage nach wie vor klar zu erkennen. Wie eine alte Königin thront sie über der Stadt. Der Parthenon ist ihr bestimmendstes Element. Er steht mit seiner Historie für die Wechsel der Geschichte: von dem der Göttin Athen geweihten Tempel (Parthenon bedeutet "Jungfrauengemach") über eine byzantinische und eine lateinische Kirche zur osmanischen Moschee und schließlich zum Magnet touristischer Massensammlungen. Noch im 17. Jahrhundert soll das Bauwerk weitgehend unversehrt gewesen sein, dann nahmen es die Venezianer unter Beschuss. Was die Touristenmassen betrifft, mit denen er nun konfrontiert ist, so haben sich diese zur Zeit unseres Besuches in diesem griechischen Streikherbst in vertretbaren Grenzen gehalten. Wer die Akropolis nur von brütend heißen Tagen in der Hochsaison kennt, sollte ihr unbedingt zu einem etwas ruhigeren (das ist freilich relativ) Zeitpunkt eine zweite Chance geben. Ergänzend sollte man unbedingt auch das moderne Akropolis-Museum besuchen, in dem ausgestellt ist, was auf der Akropolis gefunden und nicht außer Landes gebracht wurde.



Q wie Quittung
Wer für seine in Athen getätigten Käufe oder in Anspruch genommenen Dienstleistungen Quittungen haben möchte, sollte sich auf den einen oder anderen Kampf einstellen.

R wie Riot Dogs
Man trifft sie auf allen wichtigen Plätzen der Stadt - die Straßenhunde. Freundliche und gutmütige Gesellen sind sie. Nur manchmal, da packt sie der Zorn auf die bestehenden Verhältnisse. Da werden dann aus griechisch-gelassenen Vierbeinern Wut-Wauwaus, die sich an die Spitze von Protestzügen setzen. Die Folklore der Athener Demonstrantenszene ist jedenfalls voller Geschichten über mutige Hunde, die sich an vordersten Front, noch vor den enthemmtesten Steine werfenden Wahnsinnigen menschlicher Herkunft, Aug in Aug mit der Ordnungsmacht bewährt haben. Dem unbefangenen Gast fällt allerdings auf, dass sie genauso gerne mit der Präsidialgarde mitzumarschieren scheinen wie mit dem Schwarzen Block. Wer jetzt nicht an eine Spaltung der Hundewelt in zwei feindliche Lager glauben möchte, kommt somit zu dem Schluss, dass sie ganz einfach sehr gerne Gesellschaft haben. Was man ihnen auch nicht verdenken kann.

Ein Hund sitzt vor dem Parlament, Syntagma-Platz. 

S wie Streik
Protestmärsche, Ausschreitungen, Straßenschlachten sind nicht so schlimm. Aus der Sicht des Touristen. Man hat das Gefühl, dass man ihnen irgendwie schon aus dem Weg gehen, einen Bogen machen kann. Was uns wirklich Respekt eingeflößt hat, war die Aussicht auf tagelange Streiks. Wenn der öffentliche Verkehr steht, keine Taxis mehr fahren, die Müllabfuhren ihre Arbeit einstellen (s. U), vielleicht sogar die Geschäfte geschlossen haben, streikende Fluglosten und Zollbeamte die Ausreise erschweren, kann es schon sehr unangenehm werden. Nach einer kurzfristigen Krisenkonferenz haben wir aber beschlossen, darauf zu vertrauen, dass die Griechen auch irgendwie weiter leben müssen und vermutlich auch nicht alle ausländischen Gäste verlieren möchten. Gestreikt wurde dann zwar schon ein wenig , aber es ist gut gegangen.
Syntagma-Platz, Brennpunkt.

T wie Trilogie, Athener
Drei Gebäude, die sich an der Eleftherios Venizelos-Straße (im Volksmund: "Panepistimou") aneinanderreihen. Konkret: die Akademie der Wissenschaften , die Universität und die Nationalbibliothek. Alle sind sie in einem streng an antiken Vorbildern orientieren Klassizismus gehalten. Entworfen wurden sie vom Dänen Theophil Hansen (dem wir auch das Parlament in Wien verdanken), wobei der Deutsche Ernst Ziller (s. Z) bei der Akademie und der Nationalbibliothek maßgeblich mitgewirkt hat. Diese Bauwerke sind repräsentativ für das neue Athen, das der erste griechische König, ein vom antiken Griechenland begeisterter Bayer, in den 30er und 40er Jahren des 19. Jahrhunderts hochziehen ließ. Aus einem Ruinenacker, um den ein paar Tausend Menschen wohnten, wurde in jener Zeit die Hauptstadt Griechenlands.

Nicht die Athener Trilogie, sondern "nur" die Nationalbibliothek.

U wie Unrat, Berge davon
Im noblen Viertel Kolonáki, in dem sich unsere Bleibe befand (s. H), war vom Streik der Müllabfuhren, welcher die Regierung zwecks Seuchenprävention sogar zu Notverordnungen zwang, nicht mehr allzu viel zu sehen. In Randlagen war man allerdings noch nicht so gründlich.



V wie Verkehrssituation
Athen hat in Punkto Verkehr nach wie einen eher üblen Ruf. Vor dem inneren Auge sieht man eine Smogglocke, in der sich Lenker, die Verkehrsregeln bestenfalls als freundliche Empfehlung betrachten, wilde Rennen liefern, wie einst die Athleten beim Olympischen Wagenrennen. In Wahrheit kann sich der Tourist jedoch recht gefahrlos in Athens Innenstadt bewegen. Fußgängerzonen haben sich hier breit gemacht und ein gut aus ausgebautes U-Bahnnetz trägt zur Erschließung des Areals bei. In der Station Syntagma-Platz findet sich sogar eine sehenswerte archäologische Ausstellung. Und auch vom einst gefürchteten Smog war zumindest im Oktober (dem im Übrigen wohl idealen Monat für eine Athen-Reise) nichts zu bemerken.

W wie Weile, Eile mit
Fast beschwörend steht es schon in meinem Reiseführer : "Sie sind im Urlaub, sie haben es nicht eilig!". Dies ist als Hinweis darauf gedacht, dass das Lebens- und Arbeitstempo in Griechenland etwas anders ist als man es aus Mitteleuropa gewöhnt ist. Wobei man sich vor Verallgemeinerung hüten sollte. Es gibt sie schon, die Lokale und Cafés, in denen man so schnell Bedienung erfährt wie man es von zuhause her kennt.

X wie X
Lateinischer Buchstabe, der aus dem griechischen "Xi" hervorgegangen ist, welches wiederum dem Phönizischen "Samech" entstammt. Die alten Griechen haben ja viele kulturhistorische Großtaten vollbracht, aber eine der wichtigsten davon, ja womöglich die grundlegende überhaupt, wird gerne übersehen - weil sie uns so selbstverständlich erscheint. Gemeint ist die erste alphabetische Schrift überhaupt, die griechische eben. Es handelt sich um eine Lautschrift, die Vokale wie Konsonanten kennt und ein hohes Maß an Rationalität und Beherrschbarkeit aufweist. Mit ihrer Hilfe brachen die Schriftsteller, Wissenschaftler und Philosophen des antiken Griechenland zu neuen Ufern auf.

Y wie Y
Lateinischer Buchstabe, der durch den römischen Diktator Sulla ins lateinische Alphabet eingeführt wurde, um die Schreibung griechischer Fremdwörter zu ermöglichen. Im Griechischen "Ypsilon" geheißen und aus dem Phönizischen "Waw" stammend, das man aber wie ein "w" aussprach (das Phönizische war eine reine Konsonantenschrift). Im Übrigen s. X.

Z wie Ziller, Ernst
Aus Sachsen stammender Architekt, der Athen wie kaum ein anderer seinen Stempel aufgedrückt hat. Als Assistent von Theophil Hansen hier eingetroffen, stellte er bald in jeden Winkel der Stadt neoklassizistische Bauten. Mit der Zeit entwickelte er Hansens Stil fort und ließ zunehmend Stilelemente der Renaissance bzw. der byzantinischen Zeit einfließen. So waren es origineller Weise die Deutschen und Dänen, die im 19. Jahrhundert versuchten, den alten Glanz Griechenlands wieder aufzurichten (vgl. auch T). Wie war das nochmal mit der Geschichte, die sich als Farce wiederholt?

Villa der Familie Stathatou, heute Museum für kykladische Kunst.


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