USA 2012
Zunächst muss man natürlich über den besonderen Cast sprechen, den Wes Anderson hier (wieder einmal) zusammen getrommelt hat. In "Moonrise Kingdom" spielen mit: Edward Norton, Bruce Willis, Tilda Swinton, Frances McDormand, Bill Murray, Jason Schwartzman und Harvey Keitel. Das sind zusammen gerechnet immerhin zwei Oscars, sieben Oscarnominierungen und vier Golden Globes sowie jede Menge Publikums trächtige Filmunterhaltung. Aber in diesen Dimensionen darf man, das ist schon klar, Wes Anderson-Filme nicht bewerten. Denn die Filme von Wes Anderson machen ein Tor auf in eine andere Wirklichkeit, in der zwar Gesetzmäßigkeiten und Fertigkeiten des Hollywoodkinos angewandt werden, aber doch alles irgendwie anders ist.
Meine bisherigen Begegnungen mit Filmen von Wes Anderson verliefen freilich durchwachsen. "Rushmore" hat mir gut gefallen, bei den "Royal Tenenbaums" scheiterte ich jedoch an meiner hohen Erwartungshaltung. "Darjeeling Limited" fand ich zwar visuell beeindruckend, aber auch einigermaßen hohl und anbiedernd. Somit hatte ich den Regisseur aus Texas schon ein wenig abgestempelt als einen, der mehr Schein als Sein bietet, der Filme macht, die an der Oberfläche glänzen und mit gut kalkulierten Effekten versehen sind, die aber bei genauerer Betrachtung nicht viel hergeben.
Auch "Moonrise Kingdom" hat eine berückende Optik zu bieten. Die Handlung spielt im Jahr 1965 auf der (fiktiven) Insel New Penzance vor der Küste Neuenglands. 60er Jahre-Chic ist überall und taucht den Film in eine nostalgisch-romantische Atmosphäre. Suzy Bishop (Kaya Hayward) ist dreizehn und verbringt hier mit ihren Eltern, zwei frustriert-resignativ wirkenden Rechtsanwälten (McDormand und Murray), in einem roten Leuchtturmhaus den Sommer. Sie blickt aus Kayal-umschminkten Augen ernst in die Welt und tut sich mit dem etwas wunderlichen, aber gutmütigen Außenseiter Sam Shakusky (Jared Gilman) zusammen, um gemeinsam Reißaus zu nehmen. Ihre Liebesgeschichte, ihr Streben nach selbst bestimmtem Glück steht im Mittelpunkt des Geschehens. Eine aufgeregte Suche der New Penzance-Erwachsenenwelt hebt an, die ihre markantesten Repräsentanten (Norton, Willis, McDormand, Murray) nachhaltig aus ihren Routinen reißen wird. Auch das nur "Social Services" geheißene Sozialamt, verkörpert von einer unerbittlichen Tilda Swinton, rückt an, um den Fall zu begutachten, respektive zu beamtshandeln.
Mag es auch im Auftreten der Behörde leise anklingen, so ist "Moonrise Kingdom" doch keine kritische Auseinandersetzung mit der Sixties-Gesellschaft. Die Themen, die abgehandelt werden, sind universell und zeitlos, das Zeitkolorit dient eher als spielerische Kulisse, wie auch die Filmkulissen selbst oft wie aus einer Spielzeugwelt entlehnt scheinen. Die Ausstattung ist dabei bis in die Details liebevoll, das Produktionsdesign in seiner Gesamtheit umwerfend. Dieses New Penzance ist ein imaginierter Raum, der aus Versatzstücken von Wes Andersons Jugend und romantischen Gefühlen gezimmert ist. Der Soundtrack ist geistreich wie verblüffend und stimmig, spannt den Bogen von der Filmmusik von Alexandre Desplat über Benjamin Britten zu Hank Williams. Die Dramaturgie findet in diesem Wes-Anderson-Film die dringend benötigte Balance zwischen gutem Erzähltempo und der Magie der Augenblicke. "Moonrise Kingdom" ist wie eines dieser gut geschriebenen Jugendbücher der eigenen Kindheit, die ein warmes, vertrautes Gefühl erzeugt und doch auch zugleich eine Ahnung von etwas Größerem, Aufregenderem vermittelt haben.
Das neue Werk von Wes Anderson ist eye candy, der auch der Seele gut tut und vielleicht der Film, den man 2012 im Kino gesehen haben sollte.
Meine Bewertung: 4 von 5 Sternen.
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2 Kommentare:
....und was müsste der Film für Dich sonst noch bieten, damit er 5 Sterne bekommt?.......
Die Frage habe ich erwartet. Für fünf Sterne genügt es nicht, wenn ein Film keine Schwächen hat und schön ist, da müsste es schon etwas sein, das die Grenzen des Kinos sprengt und das Genre auf eine neue Ebene hebt. "Moonrise Kingdom" ist aber immerhin so gut, dass er sich beinahe 4.5 Sterne verdient hat.
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