05 Argentinien - Deutschland 0:4, 3.7.2010
Unvergesslich bleibt, nachträglich betrachtet, die Pressekonferenz bei einem Testspiel wenige Monate vor der Weltmeisterschaft in Südafrika. Diego Maradona, wie er sich weigert, neben Thomas Müller sitzen zu bleiben, weil er nicht weiß, wer das ist. Ein herrliches Beispiel für Hochmut, die vor dem Fall kommt. Im Viertelfinale der WM war es dann Müller, der nach nicht einmal drei Minuten nach perfekter Hereingabe von Schweinsteiger per Kopf das erste Tor für Deutschland erzielte. Der Anfang vom Ende für die Argentinier und deren präpotenten Coach. Die jungen Deutschen nahmen den südamerikanischen Titelfavoriten rund um Nationalteam-Versager Leo Messi am Fuß des Tafelberges nach allen Regeln der Kunst mit 4:0 auseinander und bescherten Argentinien damit die dritte traumatische Niederlage innerhalb der letzten zwanzig Jahre WM-Geschichte. Und, im Wiener WUK, wo ich das Spiel verfolgte, jubelten nicht nur die Myriaden deutscher StudentInnen. Auch Österreicher ließen sich vernehmen: "Eigentlich sind das ja die Deutschen...aber, wie die da spielen, das begeistert mich!" Wenn das mal keine geringe Leistung ist.
04 Frankreich - Italien 2:1 n. Verl., 2.7.2000
Seit der Weltmeisterschaft 1998 - als die Bleus vor eigenem Publikum den Titel holten - war ich ein Fan der französischen Fußballnationalmannschaft. Sie hob sich merklich von den anderen Equipen ab, erschien sie mir doch nicht wie ein gewöhnliches Team, sondern wie ein bunter Haufen Individualisten, die eine Art Superhelden-Liga gebildet hatten, um die Fußballwelt zu retten. Durch den energetischen Ausbruch der Heim-Weltmeisterschaft mit übermenschlichen Kräften ausgestattet, eilten sie von Sieg zu Sieg. Da war Barthez, der glatzköpfige Zirkusartist im Strafraum, da war der hochaufgeschossene Abwehrlenker Blanc, mit der coolen Aura eines Geheimagenten, der glutäugige Flügelflitzer Bixente Lizarazu (was für ein Name). Dann der drahtige Deschamps, der Unersetzliche, der mit seiner Willenskraft die Mannschaftsteile zusammenhielt, weiters der Furcht einflößende Mittelfeldschrank Desailly, außerdem der kluge Verteidiger Thuram, der abseits des Platzes eine Brille trug und zum politisch engagierten Intellektuellen mutierte. Dann Petit, mit dem wehenden roten Zopf, der angeblich die Werke der Aufklärungsphilosophen studierte und der junge Henry, der wie mit Flügelschuhen über den Platz zog. Und natürlich Zizou. Der große, große Zidane, der aus den Straßen von Marseille eine leidenschaftsvolle Poesie auf die großen Fußballplätze gebracht hat. Kunterbunt wie die Charaktere dieser unwahrscheinlichen Mannschaft war ihre Herkunft: Sie waren Basken, Bretonen, Portugiesen, Spanier, Berber, Ghanaer, Senegalesen, Neukaledonier, Guadeloupianer, Armenier..Und am Ende waren sie Welt- und Europameister. Im Finale der Euro 2000 allerdings waren sie fast schon geschlagen, ehe Wiltord nahezu mit dem Schlusspfiff den Ausgleich gegen Italien erzielte. David Trezeguet machte den Triumph der Blauen nach wunderbare Vorarbeit von Pires (dessen Mutter seine Unterwäsche vor den Spielen mit Weihwasser wusch - noch so ein Typ) mit einem herrlichen Schuss perfekt. Welch eine Freude, welch eine Ekstase. Die französische Nationalmannschaft, das war Ende der Neunziger auch irgendwie die Hoffnung auf eine bessere Welt. Dann jedoch kam der abgehobene Esoteriker Domenech, ihr Stern begann zu sinken und der Traum schlug letztlich hart auf den Boden auf und zerbrach.
03 Manchester United - FC Bayern München 2:1, 26.5.1999
Viele der ganz großen Fußballvereine Europas sind in fragwürdige Hände geraten. Ihre Geschicke werden von russischen Oligarchen, Tyrannen vom arabischen Golf, halbseidenen Medienmogulen oder amerikanischen Investmenthaien bestimmt. Andere "gehören" schlichtweg den Banken oder der Gnade der Steuerzahler. Da sticht der FC Bayern München zweifellos positiv hervor. Unabhängig davon, ob einem das dort handelnde Personal jetzt sympathisch ist oder nicht, muss man doch festhalten: sie haben es geschafft, den Klub aus Bayerns Hauptstadt in der obersten sportlichen Elite zu etablieren, ohne sich auf derartige Weise zu verkaufen und ohne ihre finanziellen Mittel auf gefährliche Art über zu strapazieren. Die (nicht Börsen notierte) FC Bayern München AG, die den Profifußball betreibt, ist immer noch zu 81,8% in Besitz des Fußball-Club Bayern, München e.V., eines ideellen Vereines nach deutschem Recht mit 171.345 Mitgliedern. Dass die Verantwortlichen darauf stolz sind, kann man ihnen nicht verdenken. Wer da noch "arrogant" sagt, hat nicht viel verstanden. Im Jahr 1999 waren solche Zusammenhänge freilich noch nicht so präsent bzw. mir nicht bewusst. Der FC Bayern stand im Champions League-Finale Manchester United gegenüber und die prägenden Figuren bei den Bayern waren damals: Kahn, Matthäus, Basler, Effenberg. Sie schirmten die Münchner gegen in mir allenthalben aufkeimende Ansätze von Sympathie äußerst wirkungsvoll ab. Die Freude über die legendären letzten Minuten des im Camp Nou -Stadions ausgetragenen Finales war darob riesig. Sie wirkte derart stark nach, dass ich schon hier darüber geschrieben habe.
02 Brasilien - Frankreich 0:3, 12.7.1998
Große Spiele werden von großen Spielern entschieden, sagt man. Das ist natürlich eine ob ihrer Schwammigkeit und begrifflichen Unschärfe nur schwer nachprüfbare These. Aber, so ganz unreflektiert denkt man sich: das stimmt schon irgendwie. Erinnern wir uns zum Beispiel an das gerade erst verflossene Champions League-Finale und Didier Drogba. Bei der Heim-Weltmeisterschaft 1998 wiederum hatte Zinédine Zidane eigentlich - da sind sich die BeobachterInnen relativ einig - bis zum Endspiel im Stade de France in St. Denis gegen Brasilien kein überragendes Turnier gespielt. Oder, sagen wir es so: er hatte die Erwartungen nicht erfüllt. Im Finale jedoch wurde der Mythos Zidane geboren. Mit zwei herrlichen Kopfstößen im Anschluss an Eckbälle legte der aus Algerien stammende Spielgestalter den Grundstein für den Triumph Frankreichs über die Fußballgroßmacht Brasilien. Emmanuel Petit setzte kurz vor Ende den Schlusspunkt unter ein spektakuläres, aber auch überraschend einseitiges Weltmeisterschaftsfinale, das angesichts der Torchancen (Guivarc´h! Petit!) auch 7:2 für die équipe tricolore hätte ausgehen können. Zidane aber gewann in den darauf folgenden Jahren noch viele andere große Spiele und Bewerbe, wobei seine genialen Momente maßgeblichen Anteil hatten. Etwa im Champions League-Finale 2002, wo er dieses Tor fabrizierte, welches Skulpturen von Michelangelo locker das Wasser reichen kann. Bald danach hatte auch ich - obwohl ich Personenkult an sich stark ablehne - ein Zidane-Poster in meinem Zimmer hängen. Auch das WM-Finale 2006 hat Zidane ja dann noch per Kopfstoß entschieden. Allerdings auf etwas andere Weise. Das konnte freilich meiner Verehrung, die am 12.7.1998 ihren Ausgang genommen hatte, keinen Abbruch mehr tun.
01 FC Liverpool - AC Mailand 5:4 nach Elfmeterschießen, 25.5.2005
Es gibt Triumphe, Gefühle, die kann nichts und niemand mehr weg nehmen, nichts mehr schmälern, widerrufen oder ungeschehen machen. Auch nicht ein mieses 0:2 zwei Jahre später im Finale desselben Bewerbes. Aber, zunächst zur Ausgangslage. Wer einmal die Liverpool-Fans an der Anfield Road "You´ll Never Walk Alone" singen gehört und wer andererseits auch tief in Silvio Berlusconis Botox behandeltes Gesicht geblickt hat, der weiß, wem er bei dieser Konstellation die Daumen drückt. Meine zumindest ich. Das Finale der Champions League schien jedoch schon gegen Ende der ersten Halbzeit auf die falsche Seite gefallen, zu Gunsten Milans entschieden zu sein. Denn ehrlich, welche Gewissheit schien eherner als jene, dass sich der AC Mailand eine einmal in einem großen Finale erraffte Führung nicht wieder aus den Händen nehmen ließe? Es galt ja geradezu als die Spielweise der italienischen, insbesondere der Mailänder Mannschaften, nämlich, dass sie aus dem Nichts ein Tor machten, dann den Gegner verzweifelt anrennen und aufspielen ließen, um bei der nächsten Gelegenheit den tödlichen Gegen-Stoß zu setzen. So zumindest das Klischee. Und dann kommt der FC Liverpool und zerschmettert am Rasen des Atatürk-Olympiastadions von Istanbul das Klischee. Angeführt dabei von einem unfassbaren Steven Gerrard, der gefühlt jeden Zweikampf gewann - und ich meine damit nicht bloß jeden, den er geführt hat, sondern jeden Zweikampf - und dessen intensive Gestik nach dem von ihm erzielten 1:3 im Rückblick erscheint, als würde sie das Raum-Zeit-Kontinuum der Fußballwelt verzerren, hin zu jenem sensationellen Turnaround, der dieses Champions League-Finale werden sollte. Aus einem 0:3 zur Halbzeit machten die Roten aus England in einem Atem beraubenden Fußballmatch ein 3:3, retteten sich dann auch dank Glanzparaden ihres Keepers Jerzy Dudek ins Elfmeterschießen und gewannen dieses. Welch ein Drehbuch, welch ein Spiel.
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2 Kommentare:
Kommen die Niederlagen auch noch? Sehr guter Text wieder.
Danke! Ob die Niederlagen auch noch kommen? Hmm, schauen wir einmal. Eigentlich hätte ich gesagt nein, aber jetzt, wo du es quasi einforderst.. ;)
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