Tonio Borg (nicht verwandt oder verschwägert mit Tennisspielern oder außerirdischen Invasoren) wird Gesundheits- und Verbraucherpolitikkommissar der Europäischen Union. Das Europäische Parlament hat dem von der maltesischen Regierung nominierten Borg am Mittwoch seine Zustimmung erteilt. Nicht, dass er die unbedingt gebraucht hätte. In der Europäischen Union hat nach wie vor nicht das die gesamte europäische Bevölkerung repräsentierende Parlament das Sagen und das letzte Wort, sondern die nur mittelbar demokratisch legitimierten Regierungen, die wiederum bekanntlich gerne so tun, als wäre die EU ein Ding in Brüssel, für das sie nur ganz mittelbar verantwortlich sind. Aber ich schweife ab.
Die Bestellung von Tonio Borg war umstritten. Borg ist selbst für das sehr katholische und konservative Malta ein ausgesprochen konservativer Mensch. Er gilt zwar als Experte für Menschenrechte, sein Normmensch ist dabei aber eher der heterosexuelle, verheiratete, katholische Mann. Borg möchte, dass Abtreibungen genauso strikt verboten sind wie Ehescheidungen und dass Homosexuelle und unverheiratete Paare gar nicht erst auf die Idee kommen, sie könnten ähnliche Rechte beanspruchen wie Normmenschen.
Bei der Abstimmung im EU-Parlament haben 281 Abgeordnete gegen Borg als Kommissar gestimmt, 386 Abgeordnete fanden ihn annehmbar oder wollten womöglich zumindest einen politischen Konflikt vermeiden, 28 enthielten sich (Quelle). Manche eine(r) verwies dabei auch darauf, dass Borgs Ansichten in Hinblick auf das übernommene Ressort ohnehin keine relevante Rolle spielen würden. Zumindest für den sensiblen Gesundheitsbereich ist diese Behauptung aber mit Sicherheit grober Unfug. Gerade hier sind die moralisch-persönlichen Werthaltungen und Überzeugungen eines Politikers von Bedeutung und sollen Gegenstand einer politischen und öffentlichen Debatte sein können.
Immerhin hat das Europäische Parlament einen gewissen Widerstand geleistet, auch wenn der Nominierte letztlich durch die Konservativen, Christdemokraten sowie einige Abgeordnete der Sozialdemokraten durch gewunken wurde. Funktioniert die Europäische Demokratie also? Perspektivwechsel. Stellen wir uns vor, ein Mann mit den Überzeugungen des Tonio Borg würde in einem beliebigen EU-Staat (mit Ausnahme vielleicht von sehr katholisch geprägten Ländern wie eben Malta, Polen oder Irland), zum Gesundheitsminister nominiert. Was würde geschehen? Eine öffentliche Debatte würde losbrechen, die Medien würden sich in Kommentaren gegenseitig überbieten, es würden Initiativen gegründet, Facebookgruppen gegen die Bestellung des Politikers errichtet. Die Zivilgesellschaft würde sich unüberhörbar zu Wort melden und auch gehört werden.
Anders, wenn es um eines der einflussreichsten Ämter Europas geht, eines Kommissars der Europäischen Union. Dann ist uns das, pointiert gesagt, wurscht. Das ist das wahrhaft Erschreckende an der Bestellung von Tonio Borg zum Gesundheits- und Verbraucherpolitikkommissar.
Samstag, 24. November 2012
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