Ö 2012
In den Jahren, in denen ich noch mit bunten Bändern am Handgelenk herumlief, die mit dem Schriftzug eines Festivals versehen waren, war die Antwort auf die Frage nach der bevorzugten Veranstaltung schnell gegeben: das Bock Ma´s - Festival. Diese Mixtur aus Musik, verschiedenen Workshops und Vorträgen ging jeweils im August in den Gemäuern der Burgruine Altwartenburg in der Nähe der oberösterreichischen Ortschaft Timelkam über die Bühne. Veranstaltet wurde sie vom Kulturverein Sozialforum Freiwerk aus Vöcklabruck.
Eine durchwegs entspannte Atmosphäre, ein hoher Grad an Bewegungsfreiheit am Festivalgelände, die Möglichkeit, sich jederzeit aus dem ohnehin nicht zu schlimmen Trubel auszuklinken und sich in die Wälder, Wiesen und Äcker zu verabschieden, die das auf einem kleinen Hochplateau gelegenen Areal umgaben - das machte für mich ganz wesentlich den Reiz des Bock Mas aus. Dazu trat das Beste auf, was die alternative Musik des Landes zu bieten hatte und die Einnahmen flossen einer sinnvollen Sache zu, der Ute-Bock-Stiftung.
Als 2010 die Nachricht kam, dass in diesem Jahr das letzte Bock Ma´s stattfinden würde, war ich entsprechend enttäuscht. Umso mehr, als ich in jenem Jahr wegen einer bereits lange geplanten Auslandsreise nicht dabei sein konnte. Es war, wie wenn einem ein lieb gewonnener Freund plötzlich ohne erkennbaren Grund die Freundschaft aufgekündigt und einem nicht einmal die Gelegenheit gibt, sich zu verabschieden. Zwei Jahre zuvor war ich im Zug von Wien nach Linz zufällig neben einer Mitarbeiterin aus dem ehrenamtlichen Organisationsteam des Sozialforum Freiwerk gesessen und von ihr wegen meines Handgelenk-Bandes angesprochen worden. Da war dann viel von schwierigen Sicherheitsauflagen in der alten Burg die Rede, von Fixkosten, die am Gewinn nagen und den enormen persönlichen Einsatz der Ehrenamtlichen hinterfragbar machen würden. Aber deswegen so eine großartige Sache wie das Bock Ma´s aufgeben?
In seiner Dokumentation "Freiräumen" klärt Andreas Kurz auf, warum das Bock Ma´s nach 2010 nicht mehr sein konnte, vielleicht sogar nicht mehr sein durfte. Wer diese Bilder sieht, wird meine oben gemachte Beschreibung nicht wieder erkennen. Finster dreinblickende Securities, hohe Zäune. Das Festival ist zu groß geworden, hat seine Unschuld verloren. Jetzt fühle ich mich vom Exitus des Bock Ma´s nicht mehr gekränkt, ich kann es verstehen.
"Freiräumen" ist freilich beileibe nicht nur eine Dokumentation über das Bock Ma´s. Es wird auch der Frage nachgegangen, wie es um alternative Jugendkultur in der Landgemeinde Vöcklabruck heute bestellt ist. Welche Möglichkeiten, sich abseits von konsumistischer Gehirnwäsche in Einkaufszentren und Zeltfesten die Freizeit zu vertreiben, haben die jungen Leute hier? Wie können sie sich im kulturellen (und vielleicht auch kulturpolitischen) Brachland verwirklichen? Und: Was wurde eigentlich aus dem Sozialforum Freiwerk?
Auch wenn die Ton- und Bilddokumente vom letzten Bock Ma´s manchmal leicht an der Grenze zum "Saturday Night Fever" schrammen, ist "Freiräumen" doch eine empfehlenswerte Doku für alle, die dem Festival verbunden waren und sich fragen, was aus dessen kulturellem Umfeld geworden ist. Der Film von Andreas Kurz zeigt Vorzüge, die auch dem Bock Ma´s zu eigen war: ein entspannter und doch kritischer Tonfall, Offenheit und Transparenz bis in die zuweilen durchaus leidenschaftlich geführten Sitzungen des Sozialforum Freiwerk hinein. Ein guter Abschluss und ein interessanter Ausblick.
Meine Bewertung: 3 aus 5 Sternen.
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