02 (ex aequo) J.J. Abrams - "Star Trek" 4
Ich hatte eigentlich immer ein zwiespältiges Verhältnis zu "Star Trek". Auf der einen Seite haben mich als Kind die vermeintlichen (siehe da) technischen Errungenschaften fasziniert, mit denen einen das Star Trek-Universum beglückte - der Phaser, der Replikator, der Beamer (das war noch bevor es wirklich ein Gerät dieses Namens gab, das aber dann nicht annähernd so cool war). Auch die unendlichen, ach so unentdeckten Weiten dieses Universums, das mit jeder Folge, mit jeder Staffel wuchs, wussten zu beeindrucken. An jeder Ecke stolperte man hier über eine neue außerirdische Zivilisation. Diese waren nicht immer freundlich gesinnt, was den Spannungsfaktor erhöhte, auch wenn man sich zuweilen fragte, wie sie es mit Gesellschaftssystemen und ethischen Vorstellungen aus der Bronzezeit ins Raumschiffzeitalter geschafft hatten. Aber das machte zunächst nichts, denn, seien wir uns ehrlich, "Star Trek" war für den durchschnittlichen, halbwegs anspruchsvollen österreichischen Fernsehkonsumenten im Bereich der Science-Fiction einfach konkurrenzlos . Da war einfach nicht viel anderes. Mit der Zeit erkannte man dann auch, dass sich die Autoren durchaus Mühe machten, keine bloße Unterhaltung abzuliefern. Da wurden tiefschürfende philosophische Fragestellungen aufgeworfen und abgehandelt, schwierige ethische Konflikte waren von den Charakteren zu bewältigen (zB "wenn etwas denkt, fühlt und handelt wie ein Mensch, muss man es dann auch so behandeln?"). Dies alles vollzog sich vor dem Hintergrund einer durchaus reflektierten säkular-humanistischen Weltsicht. Aber bei allen Aufs und Abs, die sich im Laufe der (qualitativ durchaus schwankenden) Serien und Staffeln einstellten, blieben doch zwei Mängel bestehen, die eigentlich ein und derselbe waren: Auf der inhaltlichen Ebene musste man feststellen, dass die zahlreichen außerirdischen Gesellschaften erstaunlich lieblos gezeichnet waren. Zwei, drei grundsätzliche Charakterzüge, ein paar Titel und Institutionen, ein bisschen Make-Up zur Erweiterung der menschlichen Schädel-Physiognomie - und fertig war eine komplette Rasse von Milliarden Individuen. Eine differenziertere Betrachtungsweise dieser erschreckend uniformen Kulturen (einschließlich der menschlichen) wurde verweigert.Soziale, politische wie rechtliche Zusammenhänge und kulturelle Phänomene fristeten ein Nischendasein. Wie funktionieren diese Gesellschaften wirklich, wie leben diese Menschen, woran glauben sie, welche Musik hören sie, wie feiern sie? Wie sieht die Literatur, die Kunst dieser fernen Epoche aus und warum, verdammt noch einmal, zitieren diese Raumschiffskapitäne dauernd Literatur aus Jahrhunderten, über die sie sich eigentlich weit überlegen fühlen? Auf nichts von all dem hat "Star Trek" je wirklich geantwortet, außer durch Versatzstücke und Andeutungen. Wenn unsere jetzige Gegenwart schon so vielfältig und bunt ist, warum muss eine Zukunft, in der Tausende verschiedene Spezies aufeinander treffen, dann so monoton und grau-in-grau aussehen? Auf der formalen Ebene entsprach dem immer eine teilweise schwer aushaltbare Steifheit der Darsteller und die Kammerspielartigkeit der Inszenierungen. Zuweilen agierten diese Charaktere als hätten sie einen Besen im Rücken. Brachen dann einmal Emotionen durch den kühl-rationalen Panzer, wirkte das oft reichlich aufgesetzt. Auch wenn man diesen Figuren intellektuell fasziniert folgte, das Herz war nie wirklich dabei. Ich mochte "Star Trek" dennoch immer gerne, denn wer einmal mit einer solchen Parallel-Welt vertraut ist, der wird immer wieder empfänglich dafür sein. Gerade die gerne geschmähten "Star Trek"-Filme deuteten für mich das wirklich vorhandene Potenzial immer wieder an. Aber, ich habe mir immer eine kleine Revolution gewünscht, dass da einmal einer kommt, die Besen aus den Rückgraten nimmt und damit ordentlich durchkehrt. Damit ich "Star Trek" vorbehaltlos mögen kann, etwa so wie einen nahen Verwandten, an den man irgendwie zwangsläufig gebunden und dem man auch zugetan ist, der nun auf einmal so handelt, wie man es sich immer gewünscht hat. J.J. Abrams´ "Star Trek" ist ein Schritt in die richtige Richtung. Durch einen netten dramaturgischen Kniff wird hier tabula rasa gemacht und es wird möglich, ja zwingend, das ganze "Star Trek"-Universum neu zu bauen. Dass man sich dabei J.J. Abrams´ bedient hat, ist bezeichnend, steht er doch für eine ganze Generation von Regisseuren qualitativer neuer Serien. Der Film selbst ist ziemlich gut geworden, aber das ist nicht das, was ihn zu etwas Bedeutendem macht. Dies ist vielmehr der Umstand, dass es sich hier um einen in der Filmgeschichte bislang einzigartigen Befreiungsschlag handelt. Ich bin voll guter Hoffnungen.
01 Jim Jarmusch - "The Limits Of Control" 4
Etwas weniger Worte will ich verlieren zum besten Film, den ich 2009 im Kino gesehen habe. Hier muss ich die "Vorgeschichte" für mich nicht so genau analysieren (das bisherige Werk von Jim Jarmusch), lediglich die Frage stellen: Wie schafft er das, der Jim Jarmusch? Wie schafft er es, einen Film gefühlte Stunden ruhig und scheinbar ereignislos dahin laufen zu lassen und es trotzdem zu bewerkstelligen, dass man sich nicht langweilt? Im Falle von "Limits of Control" muss man konstatieren, dass hier wahrlich nicht viel passiert. Ja, es ist eine Art Agententhriller, aber einer, bei dem man nie wirklich erfährt, wer hier eigentlich warum gegen wen agiert. Die Hauptfigur, ein junger Schwarzafrikaner (wunderbar dargestellt von Isaach de Bankolé) erhält zu Beginn einen mysteriösen Auftrag, dessen Inhalt erst am Ende halbwegs klar wird. Auf dem Weg dorthin begegnet er mysteriösen Menschen, mit denen er philosophische Worte wechselt und erhält mysteriöse Hinweise. Diese bringen ihn anscheinend irgendwie weiter, ohne dass der Betrachter des Films genau versteht, warum. Auch wandelt er durch Kunstausstellungen und erweist sich als versunkener Betrachter von Kunstwerken. Seine Reise vollzieht sich vor der Kulisse spanischer Städte, schließlich landet er in einer gleißend-kargen Landschaft im Hochgebirge (vielleicht die Pyrenäen oder die Sierra Nevada), wo es zum finalen Showdown mit einem weißen, ältlichen Amerikaner (Bill Murray) kommen soll. Auch dieser wird nicht sonderlich lange oder spektakulär sein. Jim Jarmusch räumt selbst ein, dass die Geschichte in diesem Film, in dem er seinen Stil der Verlangsamung und des Minimalismus auf eine Spitze treibt, zweitrangig ist. Es ging ihm vielmehr darum, eine intensive Atmosphäre zu schaffen. Und dies gelingt ihm auf berückende Weise. Die große Filmkunst des Regisseurs ist dabei der Hauptfaktor, aber auch die schwirrende Musik von Boris sowie Sunn O)), die den Soundtrack maßgeblich prägt, trägt maßgeblich dazu bei. "Limits of Control" ist nicht ein Film im eigentlichen Sinn, sondern eine Aneinanderreihung von grandiosen Bildern und rätselhaften Aussagen. Jeder dieser Momente kann, soll vielleicht sogar in seiner ganzen atmosphärischen Entrücktheit für sich stehen. Jarmusch arbeitet dabei mit vielen ruhigen, langen Einstellungen, die auch als Werke der bildenden Kunst an die Wand hängen könnten. So wie sein Hauptakteur durch den Prado marschiert, wandelt ein Zuschauer, der dafür offen ist, durch diesen Film. Und auch der Prado erzählt schließlich keine Geschichte und weiß dennoch zu berühren! Am Ende erlaubt sich Jarmusch noch so etwas wie eine ironische Brechung, in dem er Elemente eines "richtigen" Thrillers andeutet. Und man kann, wenn man will, in dem abschließenden Dialog und Kampf sogar einen politischen Verweis sehen. Schließlich wird der Film in den USA am 1.5.2009 veröffentlicht, nicht lange nach der Vereidigung von Barack Obama zum amerikanischen Präsidenten.
Und die Winzars 2009 gehen an...
Bester Film: Jim Jarmusch - "The Limits of Control"
Beste Regie: Jim Jarmusch - "The Limits of Control"
Bestes Drehbuch: Roberto Orci & Alex Kurtzman - "Star Trek"
Beste Filmmusik: Diverse - "The Limits of Control"
Beste Hauptdarstellerin: Anne Hathaway - "Rachel´s Wedding"
Bester Hauptdarsteller: Christoph Waltz [sic!] - "Inglorious Basterds"
Beste Nebendarstellerin: Diane Kruger [sic!] - "Inglorious Basterds"
Bester Nebendarsteller: Josh Brolin - "Milk"
Und demnächst: die Filmwahl der Jahresendumfragen-TeilnehmerInnen...
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