Samstag, 4. August 2007
Jahresrückblick, Teil 2
Mein Kinojahr 2006- Die Plätze 12-1
Es hat mich Zeit, Mühe und Überwindung gekostet, mein Projekt des Bewertens und Rezensierens sämtlicher von mir im Jahr 2006 gesehener Kinofilme doch noch zu Ende zu führen. Aber für meine LeserInnen ist mir natürlich kein Berg zu steil! ;)
Somit darf ich stolz präsentieren: die zwölf Filme auf meinem Bewertungs-Olymp!
Da ich jetzt also schon dabei bin, soll im Übrigen die dem Jahr 2006 gewidmete Serie dann doch noch würdig zu Ende geführt werden. In diesem Sinne wird man auf diesen Seiten bald auch noch meine besten Bilder 2006 sowie einen kurzen allgemeinen Rückblick auf das vergangene Jahr finden.
12 - Mel Brooks: "The Producers", USA 2006
Bewertung: ***1/2
Gesehen: 12.5., Apollo, Wien
Musicalklamauk der heftig-schrägen Sorte, durchaus mit einigen humoristischen Highlights. Schauspielerisch toll.
11- Aki Kaurismäki: "Lichter der Vorstadt", SF 2006
Bewertung: ***1/2
Gesehen: 14.11., City-Kino, Linz
Nichts Neues unter der fahlen finnischen Sonne des Aki Kaurismäki. Aber auch Routinearbeiten wie diese wissen noch die ihnen eigene Kraft zu entfalten. Für Fans sowieso zu empfehlen.
10- Levan Zagareishvili: "Tbilisi, Tbilisi", GEO 2005
Bewertung: ***1/2
Gesehen: 28.4., City-Kino, Linz
Authentisch-triste Schilderung der derzeitigen Gegebenheiten in Georgien. Hauptfigur: ein recht misanthropischer und zynisch-sarkastischer Filmemacher, offensichtlich eine autobiographische Gestalt. Das zeigte sich, als man nach der Vorführung des im Rahmen des "Crossing Europe"-Festivals vorgeführten Streifens den Regisseur kennen lernen durfte.
9- Maria Blom: "Zurück nach Dalarna!", S 2004
Bewertung: ***1/2
Gesehen: 22.4., City-Kino, Linz
Sehr skandinavisch: Bei Familientreffen brechen die hinter freundlich-friedvoller Kulisse gelegenen Abgründe auf, dieses garniert mit trockenem Humor. Das Ganze, Skandal und Komik, fein abgemischt.
8- Michel Gondry: "La science des rêves", F 2006
Bewertung: ****
Gesehen: 28.10., Actors Studio, Wien
Trotz (oder auch wegen?) der durch die Wahnvorstellungen des Hauptprotagonisten bewirkten surrealen Verwerfungen ein Film, der schmerzhaft nahe an einer scharf beobachteten (Beziehungs-)Wirklichkeit entlang balanciert. Durchaus sehr französisches Kino in einer gelungenen Ausprägung.
7- Fernando Meirelles: "The Constant Gardener", D/UK 2005
Bewertung: ****
Gesehen: 11.2., De France, Wien
Thriller nach John LeCarré-Vorlage. Spannend, politisch, hochaktuell und schauspielerisch souverän umgesetzt, Ralph Fiennes muss man sowieso mögen.
6- Bennett Miller: "Capote", USA 2006
Bewertung: ****
Gesehen: 13.5., Votiv, Wien
Sehr bedachte, sehr unaufgeregte Umsetzung des Reportage-Meisterstücks "Kaltblütig" von Truman Capote. Im Mittelpunkt steht dabei nicht das Verbrechen, dessentwegen der Reporter-Literat ins abgelegene Kansas gereist ist, sondern die fragile Persönlichkeit desselbigen in der Konfrontation mit dem Verbrechen. Der Film lässt sich Zeit und lotet in aller Ruhe Tiefen aus. Nichts für Leute, die es straight-into-the-face haben wollen.
5- Gavin Hood: "Tsotsi", UK/RSA 2005
Bewertung: ****
Gesehen: 3.6., Votiv, Wien
"Tsotsi" bezeichnet in Xhosa, der unter den Schwarzen Südafrikas nach Zulu am zweithäufigsten gesprochenen Sprache, einen kleinen Strassengauner. Gespielt wird der hier vom Filmtitel Gemeinte von Presley Chweneyagae. Der 23-jährige Schauspieler ist selbst ein Abkömmling der Townships, ebenso wie der in einer Nebenrolle agierende Zola, Südafrikas größter Musik- und Filmstar, ein Mann, der ein Ansehen genießt wie sonst nur Desmond Tutu oder Nelson Mandela. Chweneyagae und Zola sind zwei, die es geschafft haben. Und auch "Tsotsi" weist schließlich leise, ganz leise, in Richtung des Ausgangs aus dem Ghetto, aus den Untiefen südafrikanischer Alltagsgewalt und -kriminalität. Das gelingt hier aber ohne dass ein Zeigefinger erhoben wird oder es zu sozialem Kitsch kommt. Ein feines, kleines Meisterwerk, das zu Recht mit dem Auslandsoscar 2006 ausgezeichnet wurde.
4- Neil Jordan: "Breakfast On Pluto", IRL/UK 2005
Bewertung: ****
Gesehen: 25.11., City-Kino, Linz
Neil Jordan wußte schon immer wie es geht: Die tragischen Momente, die komischen, die schönen, die skurrilen, die erschütternden, die atemberaubenden, die erhabenen, die triumphialen, die erniedrigenden in einen Film zu stecken, so dass alles da ist, alles seinen Platz hat, ganz wie im richtigen Leben. "Breakfast on Pluto", die Geschichte eines Transgender-Mannes, Sohn eines katholischen Priesters, der in der Zeit des IRA-Terrors von Irland nach London geht, um seine Mutter zu suchen, ist ein weiteres Beispiel für diese Kunst. Ein origineller Plot, genauso komisch wie tragisch umgesetzt. Neil Jordan ist Ire. Was einen unwillkürlich daran denken lässt, dass auch die irischen Folksänger in ihren Pubs über die Fähgkeit verfügen, unterschiedlichste Gefühlswelten und daher auch Genres gleichermaßen zu meistern - vom Trinklied über das politische Kampflied bis hin zum Trauerlied. Ein cineastisches Pendant zu dieser Gabe lässt sich - wenn man so will - bei Neil Jordan und in diesem Film finden.
3- Martin Scorsese: "Departed - Unter Feinden" (DF), USA 2006
Bewertung: ****
Gesehen: 10.12., Cineplexx Wien Auhof
Wahrlich: Martin Scorsese hat hier, sehr, sehr viel richtig gemacht. Zunächst einmal hat er die richtigen Leute in den richtigen Rolleb platziert. Über Jack Nicholson als schäbig-böser Gangsterboss braucht man nicht viel reden, Mark Wahlberg gibt frenetisch einen aufbrausenden Polizeiofficer und Matt Damons Standard-Minenspiel passt auch ganz gut zu der ihm angedachten Rolle als eiskalter Doppelagent. Und dann ist da auch noch Leonardo DiCaprio, der alle anderen (sic!) an die Wand spielt. Wer in ihm, einem der begabtesten Leinwanddarsteller der Gegenwart, immer noch nur den milchgesichtigen Hauptakteur des Schmachtfetzens "Titanic" sieht, ist zu bedauern. Dazu kommt, dass Regisseur Scorsese die Genannten in einer gut getimeten, ausgesprochen spannenden und exzellent konstruierten Geschichte agieren lässt. Das einzige, das dem Film zum absoluten Klassiker fehlt: die Brechung dieses ihm eigenen Perfektionismus! Martin Scorsese hat einen fast lehrbuchhaft souveränen und allen bestehenden Regeln der Hollywood-Kunst entsprechenden Gangster- und Polizeithriller geschaffen. Er hat, so hat man den Eindruck, geradezu mit kramphaftem Bemühen dieses Ziel angestrebt, damit er endlich nicht mehr von der Oscar-Academy übersehen werden kann. Freiräume für wirklich unerwartete Brechungen dieses Monolithen waren da keine mehr. Gerade das fehlt hier aber zum echten Meisterwerk.
2- Woody Allen: "Match Point", UK/USA/LUX 2005
Bewertung: ****1/2
Gesehen: 6.1., City-Kino, Linz
Eine geradezu klassische Parabel auf das irdische Glück, die Woody Allen da vorgelegt hat. Klassisch sowohl in der Thematik wie auch in der Ausführung. "Match Point" ist die griechische Tragödie unter den großen Filmen des Woody Allen. Natürlich blitzt aber auch hier immer wieder das Augenzwinkern des Vielfilmers (siehe Platz 17) auf, nicht zuletzt im schwarzhumorigen Ende. Ein Film, von dem zudem auch viele Bilder im Kopf hängen geblieben sind, wenngleich man(n) zugeben muss, dass darin meistens Scarlett Johansson vorkommt.
1- Florian Henckel von Donnersmarck: "Das Leben der Anderen", D 2006
Bewertung: ****1/2
Gesehen: 26.8., Apollo, Wien
Wer hätte das gedacht: Der beste Film des Jahres (und das betrifft, da lehne ich mich jetzt einmal aus dem Fenstern, nicht nur die von mir gesehenen), stammt von einem Österreicher! Ein Österreicher freilich, der in Deutschland geboren ist, dort auch schaffte (jetzt in Hollywood) und Doppelstaatsbürger ist. "Das Leben der Anderen", Gewinner des Auslandsoscars 2007, ist die schon längst fällige breitenwirksame Auseinandersetzung mit dem unterdrückerischen System der DDR. In einer Manier, die nie einen Moment Langeweile aufkommen lässt, gleichzeitig aber auch nie plakativ wird, werden hier die Menschen korrumpierenden und zerstörenden Mechanismen eines Überwachungsstaates analysiert und bloßgestellt. Ein Film, der nicht nur mit Blick auf das Verhältnis zur Vergangenheit enorm wichtig ist, weil er den lange grassierenden DDR-Verklärungen die nackte Wahrheit eines paranoiden, die Würde seiner Bürger missachtenden Systems entgegenhält, sondern auch von höchster Aktualität ist, in einer Zeit, in der die Angst vor "den Anderen" in der Mitte der Gesellschaft wieder umgeht und über umfassendere Überwachunsgmittel nachgedacht wird. Im Übrigen ist da natürlich auch noch Ulrich Mühe, mit ihm ist einer der allergrößten deutschsprachigen Mimen der Gegenwart von uns gegangen.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Halloween-Post 2024
Alex P. glaubt weiter an dieses Blog. Und dieses Jahr ist ihm zum Fest der Untoten ein besonders spannender Fund gelungen. Ein Band aus Arge...
-
Die Burgruine Altwartenburg befindet sich auf einem kleinen, mit Wäldern, Almen und Feldern bedeckten Hochplateau über Timelkam. Es ist ein ...
-
Es gibt tatsächlich Dinge, die weiß sogar das Internet (und damit auch die NSA) nicht. Das ist ja irgendwie tröstlich. Etwa, warum der Pálff...
2 Kommentare:
Also, zum Thema THE PRODUCERS kann ich nur sagen: schau dir das Original von 1968 an. Gene Wilder quasi in Hochforn, das kann das Remake gar nicht toppen, egal wie gut ;)
Hm..ich bin ja am Wochenende in Linz, vielleicht ergibt es sich ja mal?
Kommentar veröffentlichen