Donnerstag, 6. September 2007

Die Anti-Dosen

Letzter Samstag, 17.00 Uhr, ASK-Platz, Salzburg. Es regnet. Anstoß zur Begegnung zwischen SV Austria Salzburg und Abtenau. Ja, richtig gelesen: SV Austria Salzburg. Die Begegnung ist nicht auf allerhöchstem Niveau, nicht nur wegen des Regens. Aber gut, was will man von einem Spiel der 1. Klasse, eine Leistungstufe unter der 2. Salzburger Landesliga, auch erwarten! Die Heimmannschaft, die Austria, macht das Spiel, erzielt Tor um Tor, schon nach 30 Minuten liegt man mit 5:0 in Front. Auf der (einzigen) Tribüne des ASK-Platzes feiert der an die 1000 Köpfe starke Anhang seine Truppe: "Wir haben Austria Salzburg im Herzen!" und "Wer nicht hüpft, der ist ein Bulle!" ist zu hören. Da muss man natürlich gleich mithüpfen. Die "Ultras" und ähnlich gesinnte Fanclubs sind unermüdlich, 90 Minuten lang feuern sie ihre Elf an. Mit dem Gegner Abtenau beschäftigt man sich von Austria-Fanseite eigentlich überhaupt nicht, generell fällt auf, dass das Spiel selbst eher Nebensache zu sein scheint. Abtenau, dieses Spiel, das ist hier nur eine Station, ein kleiner Lokalbahnhof an dem ein Langstreckenzug vorbeisaust, der noch einen weiten Weg vor sich hat.

Gut zwei Jahre ist es her, dass sie Dietrich Mateschitz und seinem Red Bull-Konzern ihre violett-weißen Rücken zuwandten. Sie, das waren Hardcore-Anhänger der alten Salzburger Austria. Leute, denen die Vereinsfarben, der Vereinsname, das ganze gefühlte Universum des eigenen Teams mehr bedeutet als schicker Lifestyle, der farblich zur Wohnzimmergarnitur passt. Menschen mit dem eigenen Klub im Herzen. Fans, die in ihrem Leben tausende Kilometer in Bussen zurückgelegt haben, um die Austria auswärts zu unterstützen. Sie ließen es den feindlichen Übernehmer und seine Söldner spüren, so gut, wie sie das eben mit ihren Hundertschaften vermochten. Sie fuhren nachwievor zu den Spielen der nunmehrigen Red Bull-Truppe, aber sie begannen nun, die gegnerischen Mannschaften zu unterstützen, indem sie lautstark gegen die "eigene" Mannschaft protestierten, wie zB am 24.7.2007 in Ried, als nach Spielende die siegreichen Rieder Spieler zum Salzburger Fansektor gingen und mit diesem den Ausgang des Spieles feierten. Am 7. Oktober 2005 war es dann soweit, die Abtrünnigen gründeten ihren eigenen Verein, lautend auf den alten Namen "SV Austria Salzburg", der nunmehrige Erzfeind hiess schon längst "Red Bull". Natürlich, wie gesagt, es waren Hardcore-Fußballfans. Da waren auch einige potentielle Radaubrüder dabei.

"Der, der da drüben steht und Getränke ausschenkt, hat angeblich Stadionverbot in sämtlichen Stadien Österreichs!", erzählt mir ein Austria Salzburg - Anhänger. Jetzt müsse er Frondienst leisten, um nicht auf dem ASK-Platz auch noch zur persona non grata zu werden. Das trifft wohl auch auf das rothaarige Mädchen mit dem argen Salzburger Dialekt zu, das unsere Bestellungen aufnimmt und diese in einer derartigen Lautstärke zu ihren Helferinnen weiterschreit, dass unser Trommelfell erbebt. Beim letzten Auswärtsspiel in Hallein hat es einen Platzsturm gegeben, ein Teil der Fans ist da - frustriert wegen des spielentscheidenden 1:0 Halleins gegen die sieggewöhnten Violetten in der 94. Minute - aufs Spielfeld gelaufen, Spieler und Schiedsrichter mussten Fersengeld geben. Und sowas in der 1. Klasse. Jetzt versucht man also Schadensbegrenzung zu betreiben.

In der zweiten Halbzeit kommt Abtenau auf, erzielt zwei Tore. Es kommt beinahe zum Eklat, als dümmliche Abtenau-Anhänger eine Austria-Fanlegende, die gerade, auf einem Vordach stehend, die violetten Fans anheizt, hinterrücks mit Bierbechern bewerfen. Doch der "Schützei" beschwichtigt und es bleibt bei diesem kleinen Zwischenfall. Am Ende steht es 5:2 für die Austria. Abtenau ist abgehakt, Austria Salzburg Tabellenführer. Aber der Weg der Austria, der ist noch weit. Auf den Leiberln der jüngsten Anhänger steht "Gemeinsam wachsen". Schon in der 2. Landesliga wird, so man diese nächstes Jahr erreicht, was nicht unwahrscheinlich erscheint, die Luft deutlich dünner werden. Schließlich wird sich auch wieder die Frage nach Sponsoring, nach Geldbeschaffung, nach Mäzenatentum stellen. Da könnten Traumata wieder aufbrechen. Wie gesagt, ein weiter Weg, aber kein unmöglicher. Man wird sehen, wie weit es der Enthusiasmus von glühenden Fußballfans in einer zur Spielwiese von Mäzenen degenerierten Fußballwelt bringen kann. Und: Ob der Enthusiasmus im Zaum zu halten ist, angesichts der Ballung, der Dichte in der er hier in diesem kleinen Umfeld auftritt, oder ob er, zu Hooliganismus verzerrt, den Keim seines Unterganges in sich trägt.

Der Endbahnhof, das ist allen klar, ist Wals-Siezenheim, das Mordor der Austrianer, die Feste der Dosenkicker von Dietrich Mateschitz. Als dessen Truppe letzte Woche aus der Champions-League flog, hallten "Donetsk"-Sprechchöre durch den Anhang der Violetten, die gerade bei einem eigenen Spiel versammelt waren. Was auf dem Spielfeld vor ihnen geschah, war da völlig nebensächlich.

Es wäre den Herausforderern zu wünschen, dass sie ihr großes Ziel erreichen. Sofern sie ihre Nerven im Zaum halten.

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