Samstag, 19. Februar 2011

Was willst du?

Der erste Spot erschreckte mich, aber ich tat ihn noch als Zufälligkeit ab. "Okay", dachte ich,"vielleicht bin ich doch etwas überkritisch." Ein Mann mit schwarzen Haaren und dunklem Teint entreisst in einer österreichischen Stadt einer hilflos schreienden Dame eine Handtasche. Doch zum Glück ist die Heldin nicht weit. Eine junge Frau hat das Geschehen beobachtet und nimmt sofort die Verfolgung auf. Nach einer spektakulären Verfolgungsjagd holt sie den Finsterling ein und stößt ihn zu Boden. Per Festhaltegriff wird er fixiert, Close-Up auf das Heldengesicht: blond und blauäugig. Ein Polizeiausweis schnellt hervor, dann der Claim: "Polizei - mehr als ein Beruf". Es handelt sich um einen Spot der Wiener Polizei, die Nachwuchs sucht.

Jetzt wieder eine Fernsehwerbespot. Die Machart scheint ähnlich zu sein, möglicherweise die selbe Werbeagentur. Diesmal scheint das Bundesminsterium für Inneres höchstselbst als Auftraggeber auf, eine Notrufnummer soll beworben werden. Wieder werden wir Zeugen eines dramatischen Ereignisses. Eine junge Frau wird desnachts in der Schnellbahn von zwei düsteren Gestalten attackiert. Diesmal ist keine Polizistin in der Nähe, aber ein junger Mann wird Zeuge und tut das Richtige: er ruft zuallererst die Polizei. In einer alternativen Version sehen wir, was passiert wäre, wenn er versucht hätte, den Helden zu spielen: ein Faustschlag ins Gesicht durch einen der Schurken. Kurz bevor der Kriminelle zuschlägt spricht er zu uns, nicht sehr laut, nicht sehr langsam, gerade noch über der Schwelle der bewussten Wahnehmung. "Was willst du!?" sagt er da und er sagt es nicht in der österreichischen Mundart, die der Hilferufer verwendet hat, sondern in einem harten Tonfall, der eher an einen migrantisch geprägten Ghettoslang erinnert.

Diese beiden Werbespots haben drei Dinge gemeinsam.

Erstens, dass sie wichtige Anliegen thematisieren. Es ist wichtig, dass sich viele Menschen für die Arbeit der Polizei interessieren, denn dann steht auch ein größeres Reservoir an BewerberInnen zur Verfügung und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass auch tatsächlich fähige Leute für diese anspruchsvolle wie sensible und gesellschaftlich überaus bedeutsame Tätigkeit gefunden werden. Natürlich kann man es auch nur begrüßen, wenn BürgerInnen über das Bestehen einer Notrufnummer informiert sind und darüber, dass man in einer Notsituation umgehend davon Gebrauch machen soll (unser Anrufer zeigt im Übrigen zugleich Zivilcourage, indem er die Täter auf seinen Anruf aufmerksam macht, woraufhin diese von ihrem Opfer ablassen).

Zweitens, dass dahinter jeweils die Sicherheitsbehörden stehen, d.h. letztlich die Innenministerin verantwortlich ist.

Und drittens, dass man den Eindruck gewinnt, dass hier Stereotype reproduziert werden, indem der düstere Fremdling jeweils dem anständigen Österreicher gegenüber gestellt wird - und die Sicherheitsbehörden, die stellen sich letztlich dazwischen, und schützen Leib und Gut des Österreichers. Ich unterstelle den Machern dieser Werbespots keine böse Absicht. Ich will hier auch kein übertriebenes Diktat der political correctness einfordern - wie gesagt, einen Spot hätte ich eventuell noch gelten lassen, erst recht, wenn er in einer Serie eingebunden gewesen wäre, die die ganze Vielschichtigkeit sozialer Probleme und krimineller Verhaltensweisen aufzeigt. Denn "die Ausländer" werden schließlich selbst auch oft genug Opfer von Straftaten, nicht selten mit fremdenfeindlichem Hintergrund. Seit meiner Zeit als Praktikant am Wiener Straflandesgericht weiß ich, dass die Dunkelziffer in diesem Bereich riesig sein dürfte.

Die Sicherheitsbehörden sind dazu da, alle Menschen gleichermaßen zu schützen. Damit dies gewährleistet ist, muss ein entsprechender Respekt für alle Bevölkerungsgruppen gegeben sein. Und es muss auch in der breiten Bevölkerung, aus der sich letztlich auch wieder der Sicherheitsapparat rekrutiert, gegen diskriminierendes Gedankengut angegangen werden. Wenn in Werbespots aus Gründen der Effekthascherei oder schlichten Unbedachtheit immer wieder und in verdichteter Weise Stereotype bekräfigt werden, werden die Behörden dieser Verantwortung nicht gerecht.

Dann kann es passieren, dass sich viele in ihren dumpfen Pauschalurteilen nur bestätigt fühlen und soziale Gruppen gegeneinander aufgebracht werden. Das kann aber nun wirklich nicht dazu angetan sein, den sozialen Frieden und damit die innere Sicherheit zu festigen.

Was für Gefühle solche "spannenden" Werbefilme auslösen können, kann man dann feststellen, wenn man die unterste Schublade aufmacht und in das "Krone"-Forum hineinschaut, wo dann schon mal einer unter dem Beifall des Publikums in einem Kommentar (zu finden unterhalb des Leserbriefes) taxfrei - und von der Forums-Zensur völlig unbehelligt - fordern kann, dass man Kriminelle doch einfach kurzerhand und per Selbstjustiz abknallen soll. Das zusätzliche Problem ist aber nun, dass solche Leute in der Regel in ihren Haßpredigten auch die geschilderten Stereotype mitdenken. Dass sie diese nicht auch in konkrete Aktionen umsetzen, kann man nur hoffen.

Randnotiz: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Integrationsagenden im Innenministerium nichts verloren haben.

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