Sonntag, 9. Oktober 2011

Anstelle eines Nachrufs

Nur ein einziges Produkt aus dem Hause Apple besitze ich: einen alten iPod, der irgendwo in einer Ecke meiner Wohnung sein Dasein fristet. Ein kaltes, metallisches Ding ist das. Ein Gerät, das damals unter der Prämisse verkauft wurde, man müsse es in eine Kondom-artige Gummiverpackung hüllen, damit es an der rauen Wirklichkeit keinen Schaden nehme. Als - in jeder Hinsicht - zentrales Bedienelement fungiert ein eiserner Ring, der ungefähr so userfreundlich ist wie die Kombination von Fäustlingen mit Besteck und Schokolade - Erinnerungen an grausame kindliche Partyspiele. In Tatgemeinschaft mit dem darüber gestülpten, extra zu bezahlenden wie böswillig verrutschenden Verhüterli brachte mich dies Teil ungezählte Mal an den Rande der Verzweiflung und weit darüber hinaus.

Und dennoch, dieses verbaute Unding soll, so lesen wir es derzeit dutzendfach, den Grundstein gelegt haben, für die endgültige weltweite Dominanz der Marke Apple, soll dafür verantwortlich gewesen sein, dass die Unterhaltungselektronik endlich in unseren Hosentaschen ankam. Dieser schlechte Witz von einem MP3-Player soll es gewesen sein, der die Herzen und Geldbeutel der Menschen rund um den Globus für weitere Innovationen mit dem voran gestellten "i" geöffnet hat?

Vielleicht sollte ich ja gar nicht versuchen, es zu verstehen. Wenn neue Glaubenslehren über die Menschheit kommen, entziehen sich gerade die Anfänge oftmals jeglicher Rationalität. Ich habe schließlich auch meine verständlichen Schwierigkeiten mit sprechendem Wüstengestrüpp, wieder auferstandenen Toten, paradiesischen Jungfrauen oder mehrarmigen Gottheiten. Aber, das ist mein Problem, da mir ein Damaskus-Erlebnis bislang nicht zuteil wurde.

Ich glaube nicht, dass die Gemeinde sich jetzt zerstreuen wird. Zu groß ist sie geworden, die kritische Masse hat sie längst überschritten, als das sie jetzt in sich zusammen fallen würde. Auch ist ein unerbittlicher Monotheismus kreiert worden: du sollst keine andere App haben, als von Apple! Freilich: der Prophet ist nicht mehr da, die genialische Heilsgestalt, die mit ihren Predigten das Feuer zum Lodern brachte. Dieser fraglos faszinierende, charismatische Mann, halb eiskalt-zielstrebiger Erfolgsmensch, halb visionärer Hippie. Der es vermochte, auch linksliberalen Weltbürgern seine Lehre zu bringen, während sein Unternehmen zugleich chinesische ArbeiterInnen in schlimmen Verhältnissen hielt, ohne dass dies der strahlenden Marke wirklich etwas anhaben konnte.

Sein Erbe ist mächtig genug, dass auch weniger begabte Geister es weiter führen können. So wird uns Apple weiterhin mit jeder Menge überteuertem, oftmals unnützem Tand beglücken. Mit Geräten, die der globalen Elite den Mund wässrig machen, während Alte und körperlich Eingeschränkte an ihrer Bedienung scheitern. Mit elektronischem Spielzeug, das aus Fabriken stammt, in denen Arbeiter sich angeblich vertraglich verpflichten müssen, sich nicht das Leben zu nehmen.

Aber, das eine muss man zugeben, diese iDinger sind wirklich schön. Selten wurde klassisches Design der Siebziger so erfolgreich abgekupfert und in eine so ein- wie durchleuchtenden, klare Linie gebracht. Der Glanz der Oberfläche triumphiert über das, was inwendig ist.

Das ist Balsam für unsere, vom Konsumismus deformierten Seelen. Vielleicht haben wir es ja nicht anders verdient.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
Anonym hat gesagt…

HIer noch ein verbesserter Text zu deinem Artikel:

Natürlich muss ich da drauf reagieren. Denn obwohl du, wie so oft, in den meisten Punkten recht hast, aber ich muss dir in einem Punkt vehement widersprechen: Sie haben im Computer/Elektronikbereich den Maßstab in Sachen Ergonomie gesetzt. Sei es vom Macintosh (MacOS) 1984 bis zum letzten iPhone (iOS). Die Dinger sind einfach zu bedienen, die iProgramme sind alle so logisch (z.T. gewesen), dass sie meine Mutter (78) bedienen kann. Sicher, das Design der Produkte kann auch in die Jahre kommen. Nicht jeder alter Mac schaut noch kultverdächtig aus. Jedenfalls ist das ganze Bedienungskonzept und die Auseinandersetzung der Schnittstelle Mensch-Maschine bei keinem (Computer)Produkt besser als bei Apple.
Man nehme nur die ganzen Navigationssysteme oder Kartenautomate dieser Welt her. Hätte doch wer von Apple kurz drübergeschaut. Natürlich kannst du aus einer anderen Perspektive berichten, aber sag mir bitte welche vergleichbaren Geräte einfacher zu bedienen sind.
All dies ist (leider) nur zwei Menschen zu verdanken: Steve Jobs und Jonathan Ive. Sicher auch noch andere beteiligt. Das "Schlechte" an Steve Jobs Tod ist, dass diese Kompetenz jetzt um 50% reduziert wurde. Ich befürchte, das Apple nicht mehr an die früheren Produkte anschliessen kann.
Zum Schluss: Ich weiss, Apple ist immer mehr zur bösen dunklen Macht geworden. Wie Nike vor einigen Jahren, sind die Produktionsbedingungen katastrophal. Auch die Bindung an die Marke, ist sehr fragwürdig (aber funktioniert dummerweise besser als bei Google), und auch die Preise sind überteuert (nicht immer, nimmt man mal ein MacBook oder MacPro auseinander, dann sieht man auch, dass diese Dinger unglaublich toll konstruiert sind). Ich hoffe, dass hier noch nachgebessert wird, Nike hat auch einiges verbessern können und ich hoffe auch, dass Apple nicht ganz zusammenbricht, einfach weil ich mich nicht mit anderen schlecht designten Produkten herumschlagen will.

gruss albert w.
(die böse dunkle Macht Google verlangt immer nach einem Google Account, den hab ich aber nicht, darum anonym)

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