In diversen Ecken des Internets finden sich durchaus auch Stimmen, die sich kritisch mit dem in den letzten Monaten statt findenden Medientrubel um die russischen Punk-Protestlerinnen Pussy Riot auseinandersetzen. Pussy Riot dürfe man nicht derart vorbehaltlos idealisieren, heißt es. Manches, was diese Frauen unter der Flagge des politischen Protests in der Vergangenheit getan haben, dürfe man unter moralischen Gesichtspunkten durchaus verwerflich finden. Einiges sei überhaupt der kühl kalkulierten Provokation zuzuordnen und diene überwiegend dem Zweck der Selbstvermarktung. Auch der Auftritt in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale, jenes "Punk-Gebet" gegen Wladimir Putin, das letztlich zu dem Aufsehen erregenden Prozess geführt hat, sei durchaus differenziert zu sehen. Die Tatsache, dass man in einem autoritären Staat lebe, indem die Kirche eine unheilige Rolle spielt, rechtfertige es nicht zwangsläufig, den Gefühlen Tausender gläubiger Menschen derart mitzuspielen. Schließlich seien Pussy Riot nicht einfach nur gegen Putin, sie würden auch für radikal anti-kapitalistische bzw. anarchistische Ansichten stehen.
Manche dieser Aussagen mögen durchaus einen wahren Kern haben, sind vielleicht so falsch nicht. Die westlichen Medien haben sich mit einer Leidenschaftlichkeit auf das Thema gestürzt, die Differenzierungen wie etwa die heikle Frage nach der jeweiligen Zweck-Mittel-Relation der Pussy Riot-Aktionen oder dem ideologischen Hintergrund der Band recht entschlossen beiseite geschoben hat. Man muss kein finsterer Zyniker zu sein, um zu behaupten, dass das auch etwas mit den Faktoren "Sex" und "Revolte" (Pussy Riot!) zu tun hat, die hier in einem Cocktail verschwimmen, nach dem westliche Medien in der Regel lechzen.Sex und Revolte, das verkauft sich. Während hunderte, ja tausende andere politische Gefangene unbeachtet in ihren Zellen schmachten, waren Pussy Riot wie geschaffen für die große Bühne.
Bei derartigen Überlegungen darf man jedoch nicht stehen bleiben. Pussy Riot haben zweifellos erhebliche Risiken auf sich genommen, auch wenn sie vielleicht zunächst nicht mit einer derart brutalen Reaktion des Staates gerechnet haben. Zu behaupten, junge Mütter setzten sich einfach locker einmal für längere Zeit in ein Straflager, um nachher ihre Platten besser verkaufen zu können (wie auch zu lesen war), das ist wirklich Zynismus.
Eine Zweck-Mittel-Relation ist es aber nun auch, die zu hinterfragen ist, wenn der Staat gegen Taten seiner BürgerInnen einschreitet. Was Pussy Riot in der Christ-Erlöser-Kathedrale getan haben, kann man vielleicht als Ordnungswidrigkeit werten, als Besitzstörung vermutlich auch. Aber ein Verbrechen, das mit zwei Jahren Straflager zu ahnden wäre, ist hier nicht geschehen. Die Unverhältnismäßigkeit dieses Verdikts reiht sich ein in eine traurige Inszenierung der Putinschen Behörden, in der laufend RegimkritikerInnen mit fabrizierten oder überzogenen Vorwürfen bearbeitet werden, um sie mundtot zu machen.
Werden die Rechte von Menschen verletzt und reiht sich dies noch dazu in ein systematisches Vorgehen ein, so spielt es keine Rolle, wie man diese Menschen persönlich bewertet. Protest ist geboten.
Pussy Riots aktuelle Single, eine zornige Entgegnung an Wladimir Putin, ist daher auch mein Musikvideo des Monats August. Egal, ob ich es gut finde oder nicht.
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