Ist es kühn, Mark Oliver Everett als den Bill Murray der Musikwelt zu bezeichnen? In der an solchen Gestalten ohnehin nicht gerade armen Welt der Singer-Songwriter steht er, unter dem Pseudonym "E" Kopf und Hirn der Eels, in besonderem Maße für das Gefühl der Schwermut, das sich allerdings in großen und prächtigen künstlerischen Energien Bahn bricht. Nur, dass ich persönlich Everett tatsächlich für so etwas wie ein Genie halte, zumindest wenn es um das Songwriting geht, während mich Bill Murray tendenziell nervt. Jetzt soll sich der erstere aber gewandelt, soll Lebensfreude und Optimismus für sich entdeckt haben und dem auch musikalisch verstärkt Ausdruck verleihen.
Die Vorfreude war vorhanden. Vor dem Posthof und dem Konzert ging es Samstagabend ungewöhnlich zur Sache. Der große Saal war ausverkauft, Mitarbeiter des Samariterbundes liefen umher, ja, da war sogar eine dezente (und preislich faire) Form von Schwarzmarkthandel um die letzten Tickets zu bemerken.
Den Abend eröffnete für uns Nicole Atkins aus Neptune, New Jersey. Mit ihrer starken, souligen Stimme und ihrer Gitarre bot sie Singer-Songwriter-Musik, die - wie ich in solche Fällen zu sagen pflege - die Welt nicht unbedingt verändern wird, aber mit jedem musikalischen Ton und jeder gesungenen Silbe ihre Existenzberechtigung behauptet.
Dann war es soweit: clone wars im Posthof! Ein multiplizierter E betrat die Bühne, einmal höchstselbst, viermal in abgewandelter Ausführung, mit Schlagzeug, Bass und Gitarren, nur die Kappe machte noch einen Unterschied. Ansonsten der Look uniformer als bei den jungen Beatles: Bärte, dunkle Sonnenbrillen, Adidas-Outfits. Optisch somit quasi Gerd Müller in der Florida-Spätphase, aber noch im Weltmeisterschafts-Trainingsanzug. Musikalisch aber, höre da, wurde drauf los gepoltert, gerumpelt, gebechert, als habe Gerd Müller die Black Keys inhaliert. Wir hören elektrischen Blues, an der Grenze zum Hard Rock, vier, fünf Nummern geht das zunächst einmal so dahin. Dann erst stellen sich die klassischeren eels-Stimmungen ein, "Fresh Feeling" wird erhascht, der typische Everett-Schmelz wandert in rootsy Singer/Songwriter-Sphären. "My Beloved Monster" kommt ins Mashup mit "Mr. E´s Beautiful Blues".
Der Meister will durchaus seine Vielseitigkeit demonstrieren, allein, der Sound überzeugt an diesem Abend in keiner Ausführung durchgehend. Wirklich spannend ist das alles nicht. Das ziemlich treffsicher zwischen 30 und 40 angesiedelte Publikum nimmt es weitgehend dankbar, aber ohne überbordenden Enthusiasmus, an. Hier ist eher tiefer Respekt, Sentimentalität und Pflichtschuldigkeit, als dass der Funke wirklich überspringt. Zwischendurch ist viel Bewegung in der Menge, mit Bierbechern beladene Menschen drängen hinein und hinaus. Biermusik. Auch auf der Bühne wird das gefühlsbetonte Kumpeltum gepflogen, es gibt viele Umarmungen. E und einer seiner Gitarristen-Klone stehen seit 10 Jahren gemeinsam auf der Bühne und erneuern in Linz ihr Gelübde.
Am Ende gibt es dafür sogar ein paar Feuerzeuge, sowie eine Band, die sich für die Zugabe lange bitten lässt, nach derselbigen scheinbar endgültig die Bühne verlässt, um überraschend noch einmal zurück zu kommen und rockistisch nachzulegen. Da sind wir aber schon bei den Garderoben und finden das völlig okay. Um 23 Uhr fällt der Vorhang und das Konzert ist relativ (aber nicht zu) früh vorbei. Man hört noch etwas Jubel. Wir gönnen es ihm eh.
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1 Kommentar:
"Fresh Feeling" ist übrigens vom vierten Album "Souljacker".
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