Dienstag, 8. Februar 2011

Fokus Menschenrechte: Licht und Schatten im Jänner 2011

Ein Best-Practice und ein Worst-Practice-Beispiel in Sachen Menschenrechte aus dem abgelaufenen Monat.

Licht:


Der Kampf gegen die Todesstrafe ist eine Erfolgsgeschichte der Menschenrechtsbewegung. Während noch Anfang des vorigen Jahrhunderts das Töten von Menschen praktisch überall auf der Welt selbstverständlicher Bestandteil der Strafjustiz war, wird sie heute "nur" mehr von 58 Staaten und Territorien faktisch angewendet. Natürlich ist jeder Staat einer zuviel und jede einzelne Hinrichtung eine schwer wiegende Menschenrechtsverletzung. Aber, zumindest ist die Tendenz ermutigend. Momentan sieht es so aus, als würde die Todesstrafe den Weg der Sklaverei gehen: vom weithin praktizierten Usus zur generellen Ächtung.

Zu den Staaten, die die Todesstrafe noch praktizieren, gehören auch die USA. Allerdings nicht einheitlich, denn viele Bundesstaaten haben sie für ihren Jurisdiktionsbereich abgeschafft. Die Diskussion wogt heftig und viele Menschen setzen sich in den USA mit großem Engagement dafür ein, dass die Todesstrafe auch dort bald endgültig der Vergangenheit angehört. So zum Beispiel Juan Melendez, der im November bei uns in Linz zu Gast war und den ich kennen lernen durfte.

Nun gibt es wieder ermutigende Neuigkeiten. Beide Kammern des Kongresses von Illinois, dem fünftbevölkerungsreichsten Staat innerhalb der USA, haben einer Abschaffung der Todesstrafe zugestimmt. Zuletzt hat der Senat Anfang Jänner mit einer Mehrheit von 32 zu 25 für ein Ende dieser inhumanen Form der Bestrafung votiert. Der Ball liegt nun beim Gouverneur, dem Demokraten Pat Quinn, der nun die Wahl hat, dieses Gesetz zu unterzeichnen oder ein Veto einzulegen. Es wird derzeit eher damit gerechnet, dass er sich dem Gesetz nicht in den Weg stellen wird. Falls Quinn bis 1. März keine Entscheidung trifft, wird die neue Regelung jedenfalls in Kraft treten. In Illinois gibt es seit 2000 einen Hinrichtungsstopp, ein Moratorium, dass der ehemalige Gouverneur George Ryan (Rep.) verfügt hat.

Eine formelle Abschaffung der Todesstrafe wäre aber ein Schritt von enormer Bedeutung. Wie sagte Kwame Raoul, der Antragsteller im Senat von Illinois: "We have an historic opportunity... to join the civilized world and end this practice of risking putting to death innocent people".


Schatten:

Hier gäbe es, wie immer, jede Menge "würdige" Kandidaten. Das autoritäre ungarische Mediengesetz etwa ist Anfang Jänner in Kraft getreten. Aber auch das unwürdige Geeiere der europäischen Konservativen bezüglich eben dieses Gesetzes hätte sich eine Erwähnung verdient. Schließlich sei auch auf die erschreckende Behandlung des Wikileaks-Informanten Bradley Manning durch die amerikanischen Behörden hingewiesen.

Dennoch, ich möchte mich auf ganz aktuelle Ereignisse beziehen. Am 17.12.2010 hat sich ein Gemüsehändler im tunesischen Sidi Bouzid selbst angezündet und damit eine Kette von Ereignissen in Gang gesetzt, die die arabische Welt derzeit in ihren Grundfesten erschüttern. Kurz zuvor hat eine prominente Dame aus Frankreich in Tunesien Urlaub gemacht - Michèle Alliot-Marie.

Frau Alliot-Marie ist die Außenministerin der Französischen Republik. In Tunesien dürfte es ihr gut gefallen haben, sie flog völlig kostenlos mit einem Flugzeug durch die Gegend und machte einen Ausflug in die Wüste. Gesponsert wurden diese Touren von einem tunesischen Geschäftsmann, dessen Geschäftspartner zufällig der Schwager des hiesigen Diktators war. Letzterer hatte vermutlich gerade wenig Zeit für Besucher aus Europa, denn sein Volk begann zu rebellieren und er war bald sehr damit beschäftigt, junge Leute zusammen schießen zu lassen, die für politische Reformen auf die Straße gingen.

Zurück in der Heimat, erkannte auch Madame Alliot-Marie, dass sich im Land ihrer freundlichen Gastgeber gerade Unerhörtes zutrug. Kurzentschlossen schritt sie am 11.1.2011 in der Französischen Nationalversammlung ans Rednerpult und schlug vor, französische Polizisten nach Tunesien zu entsenden, um dem bedrängten Diktator Beistand zu leisten. So weit kam es dann aber nicht, am 14.1.2011 setzte sich der Despot Ben Ali nach Saudi-Arabien ab - Berichten zufolge im selben Flieger, den die französische Außenministerin benutzt hatte. Auch die Tränengasgranaten, die sich mit Genehmigung des Außenministeriums noch zwei Tage zuvor auf den Weg nach Tunesien gemacht hatten, erreichten ihren Adressaten nicht mehr. Ben Alis immenses Vermögen auf Schweizer Konten wurde gesperrt, auch die Konten des freundlichen Geschäftsmannes waren von der Maßnahme des Schweizer Bundesrates betroffen, mittlerweile sind sie aber wieder frei.

Das Verhalten von Frau Alliot-Marie steht in der traurigen Tradition einer französischen Außenpolitik, die den Kampf um Einflusssphären in den Mittelpunkt stellt und menschenrechtliche Fragen in den Hintergrund rückt. Aber, man darf Frankreich nicht alleine in dieser Kritik lassen. Die Heuchelei, in Sonntagsreden Demokratie und Menschenrechte einzufordern, gleichzeitig aber in der Praxis zu tiefst korrupte und kriminelle arabische Regime zu hofieren, finanziell, logistisch und auch militärisch zu stützen, ist in Europa und Nordamerika durchaus Gang und Gäbe. Wenn einem ein Wahlergebnis nicht passt, kann man dann vielleicht sogar einem Militärputsch wohl wollend gegenüber stehen (siehe Algerien, Ergebnis: 200.000 Tote). Die Krücken, auf die sich diese Politik stützt, sind "wirtschaftliche Stabilität" und - natürlich - der Kampf gegen den Islamismus. Diese beiden Ziele können aber, das zeigt die arabische Entwicklung eindrucksvoll, langfristig durch militaristische Kleptokraten nicht gesichert werden. Es sind daher nicht nur orientalische Herrscherhäuser, die ihren Besitzern augenblicklich um die Ohren fliegen, auch die Luftschlösser der westlichen Orient-Politik tun das.



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