Dienstag, 29. April 2008

Neustadt


Die Schillerstraße, in der ich mich derzeit aufhalte, befindet sich im Linzer Stadtteil Neustadt. Typisch für dieses Viertel ist der relativ hohe Anteil an Migranten, die hier leben, vor allem von Türken. So sind es die schmucklosen türkischen Cafés, die türkischen Greißler, die Handy- und Callshops, die Wettbüros, sowie die Diskotheken und Nachtlokale verschiedener Zuwanderergruppen, die das Bild entscheidend prägen.

Das Zusammenleben funktioniert hier eigentlich recht problemlos, die Neustadt ist kein Ghetto, die Bevölkerung durchaus gut durchmischt. Die Migranten, die hier leben, haben es teilweise zu einem bescheidenen Wohlstand gebracht. Migranten und Nicht-Migranten scheinen im Grunde genommen gut miteinander auszukommen.

Und doch verlaufen durch die Straßen und Gassen, man kann es nicht leugnen, unsichtbare Linien. Und seit neuestem demonstriert man auch deutlich Abgrenzung.

Vielleicht ist es mir zuvor einfach nicht aufgefallen, aber es scheint, dass angesichts der nahenden Fußballeuropameisterschaft bei den nicht-migrantischen Lokalbesitzern der Nationalstolz ausgebrochen ist. Viele dieser Beisln - und auch das eine dezidiert "österreichische" Wettlokal - wurden rot-weiß-rot beflaggt und mit anderen Kennzeichen des alpenländischen Patriotismus versehen, wie etwa jenen Aufklebern einer von Jornalismuspraktikanten gemachten Tageszeitung, die den Landesnamen trägt.

Nun ist es natürlich jedermanns/-fraus gutes Recht angesichts der Euro patriotisch gestimmt zu sein und dies auch zu zeigen. Auch in Deutschland hat die letzte Weltmeisterschaft zu einer Flut an Flaggen und Hymnen geführt, zu einem regelrechten Zelebrieren eines wiedergefunden Nationalstolzes. Das war auch gut so, hat es doch das historisch belastete Verhältnis unserer nördlichen Nachbarn zu ihrer eigenen Identität deutlich entkrampft. Zugleich hatte der schwarz-rot-goldene Rausch nichts mit mit den Ungeheuern der Vergangenheit zu tun, war doch die so abgefeierte Nationalelf selbst ein Potpourri von Menschen unterschiedlichster Herkunft und sah man doch in den türkischen Vierteln an den Spieltagen der deutschen Mannschaft deutsche Flaggen, an denen der türkischen wiederum türkische, in friedlicher Koexistenz. Wem angesichts der deutsch-gemeinschaftlichen Begeisterungsstürme dennoch gruselte, dem kann man im übrigen nur raten, Geschichte zu lernen, war es doch so, dass die historischen Untaten deutscher Provenienz nicht aus einem gesunden Selbstbewußtsein heraus erwachsen sind, sondern aus dem Gefühl des Selbstmitleides und des Zukurzkommens vor der Weltgeschichte.

Auch der österreichische Patriotismus ist nicht automatisch zu verdammen, kann er doch immerhin auch eine Abgrenzung von eben jenen genannten großdeutschen Ungeheuern beinhalten.

Im Kontext der Neustadt stellt sich das leider, so scheint mir, anders dar. Hier signalisieren die Austria-Insignien wohl eher: "Ausländer nicht erwünscht", "das ist ein Österreicher-Lokal". Hier wird eine günstige Gelegenheit gepackt, um Abgrenzung zu betreiben. Die Ballung und die Aufdringlichkeit, mit der die "österreichischen" Lokale im Viertel ihre rot-weiß-rote Zurschaustellung betreiben, lässt einfach keinen anderen Schluß zu.

So etwas lässt keine guten Reminiszenzen aufsteigen. Und es zeigt wohl auch die Gefahr, die Nationalmannschaftsfußball beinhaltet. Während Klubfußball immer ein Mittel sein kann, Menschen unterschiedlichster Herkunft in einer gemeinsamen Sache zu vereinen, weil es eben nur um das Bekenntnis zu den Klubfarben geht, ist das beim Wettkampf der Nationen nicht so eindeutig.

Ich bin nicht stolz darauf, Österreicher zu sein, weil das kein Verdienst ist. Aber ich bin es gerne und ich bin stolz auf mein Land, ich mag es sehr und ich kehre immer wieder gerne hierher zurück. Episoden wie jene mit den Farbenlehren der Neustadt zeigen mir aber wieder, warum ich eine solche Skepsis hinsichtlich des Phänomens des Fußballnationalismus hege. Und, warum ich mir meine bevorzugte Fußballnationalmannschaft lieber nach anderen Kriterien aussuche als nach meiner eigenen Herkunft.

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Darauf ist noch Verlass! Der alljährliche Halloween-Post

  Danke an Alex P.!