Heute war einer jener Tage, an denen man ein bisschen den Glauben an die Menschheit verliert. Nicht wegen großer Geschehnisse, sondern wegen Kleinigkeiten. Ich bin mit dem Zug gefahren und der Zug war voller Menschen, die zutiefst unzufrieden, verängstigt waren, die sich stritten und wegen Kleinigkeiten an die Decke gingen. Vielleicht ist die Tatsache schuld, dass die graue Jahreszeit jetzt unleugenbar hereingebrochen ist, wer weiß.
Ich ringe jetzt schon seit einiger Zeit mit mir, einen Beitrag über Keith Goddard zu schreiben. Ich war mir bisher nicht sicher, ob ich es tun sollte, habe ich Keith Goddard doch eigentlich gar nicht wirklich gekannt. Ich habe Keith (er bestand bei unseren Begegnungen immer darauf, mit seinem Vornamen angesprochen zu werden) gerade zweimal getroffen. Es gibt somit wahrlich Berufenere als mich, ihm die Referenz zu erweisen.
Doch sonderbarer Weise war es die unerfreuliche Zugfahrt, die mich bewog, es zu tun.
Ich habe Keith beide Male im Rahmen unserer Amnesty-Radiosendung auf Radio FRO getroffen, er war unser Studiogast. Er berichtet über die politische und soziale Situation in seinem Heimatland Simbabwe. Keith war ein kleiner, hagerer Mann mit Brille und Bart, auf den ersten Blick eine unauffällige Erscheinung. Zum ersten Termin hatte ich den Auftrag, ihn im Café Strom ausfindig zu machen und wäre beinahe an ihm vorbei gelaufen. Ich fand ihn schließlich an einem kleinen Tischchen sitzend mit einem Glas Weißwein in der Hand.
Im Studio dann ein ganz neuer Eindruck: Keith, der mit großer Freundlichkeit, Geduld, Klugheit, aber auch großer Leidenschaftlichkeit, großem Nachdruck über die Zustände in seinem Heimatland berichtete. Seine Stimme strahlte echte Empathie aus. Er schaffte es, glaubwürdig zu vermitteln, dass er seine Heimat Simbabwe ebenso wie die Menschen in diesem Land von ganzem Herzen liebte, aber dennoch nicht ruhen würde, bis
sich die politische und soziale Situation dort zum Besseren, zum Menschenwürdigen gewandelt hätte.
Keith, so stellte sich heraus, war nicht nur ein angesehener Komponist (und als solcher am Linz09-Projekt "Parade" beteiligt). Er war vor allem auch ein weißer Homosexuellen-Aktivist, der sich für die simbabwische Demokratiebewegung einsetzte - gleich drei Gründe auf einmal, um sich den Hass der Kamarilla des Präsidenten Robert Mugabe (Zitat: "Homosexuelle sind schlimmer als Schweine und Hunde") zuzuziehen.
Das alles erfuhr man recht beiläufig von ihm, so als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. In erster Linie wollte er über Simbabwe sprechen, die Leiden der Bevölkerung, über Ungerechtigkeit, über die politische Verantwortlichkeit für das, was da geschah. Und, über sein Engagement für die Volksgruppe der Tonga, im Norden des Landes.
Aber Keith vermittelte mir trotz seiner natürlichen Bescheidenheit auch den Eindruck, dass, solange es Menschen wie ihn gibt, auch immer Hoffnung besteht. Denn seine friedliche und freundliche Art war von einer Bestimmtheit getragen, die keine Zweifel zuließ: hier setzt sich einer gegen alle Widrigkeiten für andere ein!
Ich weiß nicht, ob ich in einer vergleichbaren Situation auch nur annähernd so eine Standfestigkeit zeigen könnte wie Keith. Aber ich weiß jetzt, dass die Erinnerung an unsere Begegnungen dazu führen kann, dass an grauen Tagen, an denen alle Menschen plötzlich unfreundlich und selbstsüchtig erscheinen, ebenso plötzlich ein Gegenpol da ist.
Keith Goddard ist am 9.10. "nach langer schwerer Krankheit", wie es in den Pressemeldungen heißt, 49-jährig in Harare gestorben. Mein Beileid gilt seinen Angehörigen, FreundInnen und MitstreiterInnen.
Keith Goddard (rechts) im Mai 2009 im Café Strom (mit Sengamo Ndlovu)
Sonntag, 18. Oktober 2009
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