Wie ein Pilger, auf Schusters Rappen, begab ich mich im Sommer 1998 von Bad Ischl aus zur alten Wallfahrtskirche "Maria im Schatten" in Lauffen. Ich war jedoch nicht in religiöser Mission unterwegs, sondern in wissenschaftlicher. Ich wollte in die alten Kirchenbücher der Pfarre Lauffen Einsicht nehmen, um genealogische Erkenntnisse zu gewinnen. Tatsächlich wurde ich auch fündig und "entdeckte" einen bis dato unbekannten Vorfahren. Ein Lauffner, der, so wusste die Matrik zu berichten, der wagemutigen Tätigkeit eines Traunschiffers nachgegangen war.
Das Interesse an der Ahnenforschung war einige Zeit zuvor geweckt worden. Im Nachlass meiner Großmutter väterlicherseits hatte ich interessante Dokumente entdeckt, dazu Fotos und Nachlassgegenstände, die Einblick in das Leben vergangener Jahrhunderte gaben (zB das Kochbuch meiner Ur-Urgroßmutter).
Mich faszinierte die Vorstellung, mehr zu erfahren. Natürlich geht es bei der Erkundung des eigenen Stammbaumes auch um Identitätssuche, aber mir erschien das nicht zuletzt eine gute Gelegenheit, mehr über die Lebensumstände früherer Generationen zu erfahren. Ich stellte mir vor, die Ergebnisse meiner Nachforschungen in einem schön gestalteten Werk zusammen zu fassen und die Bezüge der dargestellten Biographien zur gleichzeitig ablaufenden "großen" Geschichte heraus zu arbeiten.
Daraus ist dann nichts geworden. Das Studium, das Leben kam dazwischen. Ernsthafte genealogische Forschung ist vor allem eines - sehr zeitaufwendig. Will man wirklich ein lebhaftes Bild bekommen (nicht "bloß" Namen und Stammbäume), so ist ein geradezu kriminalistisches Vorgehen erforderlich, ein permanentes Sammeln, Einordnen, Strukturieren, Lesen und die-Augen-offen-halten. Einige meiner schönsten Funde machte ich in der Österreichischen Nationalbibliothek, in der ich alte Druckwerke entdeckte, in denen die Namen von Vorfahren auftauchten, sowie interessante Begebenheiten aus deren Leben. So erfuhr ich etwa von einem Ahnen im 19. Jahrhundert, der versucht hatte, als Vorsteher einer kleinen protestantischen Gemeinde im damals österreichischen Teil von Schlesien eine erkleckliche Summe für seine Glaubensgemeinschaft zu erstreiten, wobei er sich auf eine nebulöse Schenkung aus dem Dreißigjährigen Krieg berief.
Die Resultate meiner intensiven Ermittlungsarbeit wurden indes unter dem Schutt des letzten Jahrzehnts begraben. Immer wieder musste ich plötzlich an sie denken, tippte in einer Mußestunde versonnen einen Namen oder einen Ort in die Internetsuchmaschine, in der Hoffnung, auf neue Informationen zu stoßen. Ohne Erfolg.
Und jetzt das: Anfang der 10er Jahre gehen immer mehr Institutionen, die über genealogische Quellen verfügen, daran, ihre gesamten Bestände zu digitalisieren und ins Netz zu stellen. Alte Kirchenbücher sind da zu finden, von deren Existenz oft nicht einmal mehr die örtlichen Pfarrer wissen (nur all zu gut erinnere ich mich noch an die Worte des Lauffner Pfarrers: "Ja, es gibt noch ältere Bücher, irgendwo am Dachboden.."). Zu allem Überfluss finden sich ausgerechnet das oberösterreichische Landesarchiv und die Diözese St. Pölten unter den Vorreitern in Österreich. Meine hauptsächlichen Ermittlungsgebiete. Dass man bequem von zu Hause aus die Pfarrmatriken durchsuchen kann, davon konnte man Anno 1998 nur träumen.
Da werde ich wohl kaum dauerhaft widerstehen können.
matricula-online.eu
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