Darf man überhaupt ein Konzert rezensieren, das man selbst mit veranstaltet hat? Man darf, aber man soll den Interessenkonflikt (hier: objektiv-kritischer Rezensent, dort: betroffener Veranstalter) natürlich offen legen. Transparenz als Schlagwort der Stunde, auch hier.
Also, wohlan, vier Acts gaben sich am 23.3.2012 im Posthof das Mikro in die Hand, um honorarfrei beim "Amnesty Popfest" zu Gunsten von Amnesty International zu spielen.
Diver machten den Anfang. Diver sind an sich ein Trio, im Posthof traten sie jedoch zu fünft auf. Die Band ist in Wien beheimatet und hat eben ihr Debütalbum "Kites" herausgebracht. Darin serviert sie berückend schöne Melodien und Harmonien, die jedoch mit einer ernsthaften Grundierung nachdenklich-melancholischer Momente unterlegt sind - die perfekte Musik für diese dem Aufbruch und Wandel geweihte Jahreszeit. Folkiger Singer/Songerwriter-Pop vom Feinsten ist es, was hier geboten wird. Frühlingshaft auch die Reaktionen im - bereits zu Konzertbeginn um 20.00 Uhr gut aufgestellten - Posthof-Publikum. Nicht wenige gaben zu Diver befragt an, dass sie von dieser Band noch gar nichts gehört hatten, nun aber zu Instant-Fans geworden seien. Mithin ist diese Band eine Empfehlung für all jene, die auf der Suche nach musikalischen Frühlingsgefühlen sind. Das erste Date im Posthof währte zwar noch recht kurze 30 Minuten, aber das ist für ein erstes Date durchaus in Ordnung, soll es doch vor allem die Vorfreude schüren. Und eine ereignis- und erfolgreiche Zukunft steht Diver hoffentlich bevor.
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Bild: Markus Kaiser-Mühlecker |
Nach einer kurzen Einschaltung des Veranstalters folgte
Marilies Jagsch & Band. Auch wenn die ruhige musikalische Ausrichtung bestehen blieb, vollzog sich auf der Bühne nun doch ein merklicher Stimmungswandel. Die Romantik von Diver wich einer düstereren Stimmung. Marilies Jagsch, die gerne dem Folkgenre zugeordnet wird, klingt samt Band live durchaus hart und dröhnend, fast schon ein wenig wie Grunge, nur ohne den Punk, ohne das Tempo. Dominiert wird das Ganze freilich auch auf der Livebühne von der Singstimme der Künstlerin, einer herausragenden Stimme, womöglich eine der besten im österreichischen Indie-Pop-Universum. Die Kombination geht zuweilen durch und durch, worüber es keine weiteren Worte braucht, weil es der tolle Mitschnitt der Stücke "Concrete Garden" und "Turn it Off" am Ende dieses Postings beweist.
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Bild: Markus Kaiser-Mühlecker
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Nach all dem Nachdenklichen und Ernsthaften (auch vertreten durch Amnesty-AktivistInnen, die am Infostand etwa über die
Tragödie des Niger-Delta informierten), musste in der Folge wieder daran erinnert werden, dass es schließlich auch etwas zu feiern gab. Anlass dieses Benefizkonzertes waren ja 50 Jahre Amnesty International und 40 Jahre Amnesty in Linz.
Louie Austen war der richtige Mann für diesen Job. Österreichs "
last man crooning" benötigte dafür nicht viel mehr als ein Mikrophon und eine Abspielanlage und ließ die Jubilarin in seinen gesanglichen Darbietungen von Swing über brasilianische Rhythmen bis Electro immer wieder hochleben. Nach einer kurzen Kennenlern- und Aufwärmphase kam das Posthofpublikum in Wallung und verfiel dem so selbstbewussten Charme Louie Austens, irgendwo zwischen Partyunterhalter und weiß gewandetem "Rat Pack"-Erben. Am Ende gab es gar die Forderung nach Zugabe, die aber aus Gründen des zeitlichen Ablaufs nicht mehr erfüllt werden konnte. Louie setzte sich da schon, so durfte man es sich vorstellen, in seinen weißen Bentley und düste durch die Wüste Nevadas davon, auf zum nächsten Gig.
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Bild: Markus Kaiser Mühlecker
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Headliner des Abends waren
Clara Luzia, eine österreichische Indiepop-Institution, die man hierzulande den wirklich Musikinteressierten nicht mehr vorzustellen braucht. Wie gewohnt legten Clara Luzia in natura auf den ruhigen Kammerpop, den man von ihren Platten (sowie zunehmend aus Filmsoundtracks und dem Werbefernsehen) kennt, eine angemessene Schippe drauf und überzeugten neben der Qualität ihrer Werke auch mit viel positiver Ausstrahlung, Musikalität und Zuwendung zum Publikum. Bei Frontfrau Clara Luzia war die Stimme etwas angeschlagen, was man vor allem auch in den Zwischenansagen merkte. Auch die Pausen zwischen den Stücken mussten zwangsläufig etwas länger, der Gesamtauftritt ein wenig kürzer als geplant ausfallen. Umso mehr Respekt gebietet es, dass der
pro bono-Auftritt dennoch nahezu bis Mitternacht dauerte, mehrere Zugaben inklusive. Clara Luzia spielten - wie es große Bands tun - mit Herzblut gegen allfällige Widrigkeiten an. Und unternahmen es, wie es sich für große Bands auch gehört, eine Coverversion eines pophistorisch bedeutsamen Songs zu geben (s. unten). Die deutlich über 200 BesucherInnen nahmen es dankbar an, die meisten hielten dank Clara Luzia dem dann schon bald vier Stunden andauernden Amnesty Popfest bis zum letzten Akkord die Treue.
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Bild: Markus Kaiser-Mühlecker |
MEHR BILDER vom Amnesty Popfest.
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