Montag, 2. September 2013

Biedermeierporträts

Wenn einer die Linz Kultur-Card hat, mit der man ein Jahr lang kostenlos die Linzer Museen besuchen kann, ist das ein guter Anreiz, um den kulturellen Horizont zu erweitern. Dieses Wochenende: Biedermeier.

Im Nordico Stadtmuseum Linz sowie im Schlossmuseum Linz kann derzeit ein intensiver Blick auf Leben und Werk eines bedeutenden Malers dieser Epoche geworfen werden: Johann Baptist Reiter (1813-1890). Der aus einer Urfahraner Tischlerfamilie stammende Künstler gelangte dank der Unterstützung eines reichen Gönners und eines Stipendiums des oberösterreichischen Landstände nach Wien und studierte dort an der Akademie. Er spezialisierte sich auf Porträtdarstellungen.

Reiter ist mir schon vor Jahren bei einem Besuch im Schlossmuseum ins Auge gestochen. Dort hängen dauerhaft einige beachtliche Werke. Seine Darstellungen zeichnet ein hohes Maß an Lebendigkeit aus, sie haben Witz, versprühen Charme. Vitale, realistische Porträts. Reiter malte Menschen unterschiedlichster Stände, Adelige, Bürger, Handwerker, Arbeiter, Marktfrauen. Seine häufigsten Motive waren Kinder und vor allem Frauen.

Es ist freilich kein nüchterner, düster-knöcherner Realismus, mit dem er seine Menschen abbildet. Vielmehr versteht Reiter es, seine Modelle so ins Licht zu setzen, dass ihre Gesichter zu leuchten scheinen, einen aus der Seele heraus über den Rand des Bilderrahmens und durch die verflossene Zeit hindurch anschauen und ihre Emotionen mitteilen, gleich ob das jetzt Stolz, Aufbegehren, Gereiztheit, Langeweile oder was auch sonst sein mag.

Manche seiner bekanntesten Bilder können als politische Statements gedeutet werden. So, wenn er die radikale Demokratin und Frauenrechtlerin Louise Aston in Männerkleidung als "Die Emanzipierte" malt (im Nordico zu sehen) oder sich selbst und seine Ehefrau in einer Zeit sozialer Auseinandersetzungen als Landarbeiter und Landarbeiterin mit herausforderndem Blick porträtiert ("Der Erdarbeiter" und die "Die Erdarbeiterin").

Im Biedermeier des Johann Baptist Reiter schlummert das Revolutionäre, das Aufbegehren, das Vital-Umwälzerische, das der menschlichen Seele innewohnt. Es ist alles, nur nicht "bieder",  wie auch durch die im Nordico angebrachten Repliken von Biedermeier-Tapeten illustriert wird, die nachgerade psychedelisch schillern und auch den späten Sechzigern, frühen Siebzigern des darauf folgenden Jahrhunderts entsprungen sein könnten.

Die Ausstellung aus Anlass des 200. Geburtstages des Malers ist noch bis 3.11.2013 im Nordico und im Schlossmuseum zu sehen.

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Auch sehr Biedermeier: das Scherenschnittporträt. Kann man im Nordico auch selber machen.

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